Lesebericht zu „Sarajevo Disco“ von David Gray

Sarajevo Disco_David Gray_Pendragon_Rezension_Oliver Steinhäuser_BuchblogDer Mord an einem hochrangigen Bandenmitglied in einer Hamburger Disco scheint der Auftakt zu einer erschreckenden Bandenrivalität im Hamburger Kiez zu sein. Als ein weiteres Mitglied einer rivalisierenden Bande brutal ermordet wird, ziehen der Leiter der Mordkommission Lewis Boyle und seine Mannschaft scheinbar logische Schlüsse:
Auf den ersten Mord folgte nun der Vergeltungsschlag.
Allerdings besteht Hamburg aus mehr als nur zwei kriminellen Banden. Die Polizei befürchtet, dass auch die Anführer der anderen kriminellen Vereinigungen auf der Abschussliste stehen. Doch wessen Liste wird in diesem Fall abgearbeitet, und wer ist der Kopf hinter dieser rücksichtslosen Aktion der Marktsäuberung?

David Gray verpasst dem deutschen Polizeiapparat einen US-amerikanischen Anstrich. Seine Figuren interagieren derb und nicht zimperlich, sodass man schnell vergessen könnte, dass der Kriminalroman in Hamburg, und nicht in Los Angeles spielt. Mit der Integration der Hamburger Straßensprache holt er seine Leser jedoch immer wieder zurück in die Hansestadt.
Gray zwängt seinen Protagonisten kein Korsett aus gespielter Intellektualität auf. Ebenso wenig vergibt er seinen Akteuren Vorbildfunktionen. Das empfindet der Leser anfangs als störend und ungeschliffen. Dahinter verbirgt sich jedoch genau jene Authentizität, die wir aufgrund erlernter Verhaltensmuster aus anderen und bekannteren Thriller verinnerlicht haben und uns über die „Sarajevo Disco“ deshalb zu Beginn fälschlicherweise ein voreiliges Urteil bilden.
Gray legt besonderen Fokus auf die Außergewöhnlichkeiten des Umfeldes seines Kommissars Lewis Boyle und der Polizisten Jale Arslan. Beide stammen aus einem sozial schwachen Umfeld. Wer Boyle aus dem Vorgängertitel „Kanakenblues“ kennt, weiß, dass er eine kriminelle Vergangenheit hat und zum Gangsterboss Teddy Armin eine seit Kindheitstagen andauernde Freundschaft pflegt. Als Ermittler kämpft er daher ständig gegen einen Generalverdacht.
Als die Ermittler auf die Spur einer völlig unbekannten Bande treffen, nimmt der Druck auf sie zu. Denn die mit Helmut-Kohl-Masken getarnten Männer drücken nicht nur Gratisdrogen auf den Markt, sondern sind auch diejenigen, die die Morde der getöteten Kiezgrößen zu verantworten haben. Wer steckt hinter diesem Arrangement? Ist es eine der bekannten Hamburger Banden, oder bemüht sich eine neue kriminelle Truppe um Marktanteile?

Zur ermittlungstechnischen Komplexität dieses Falls kämpft Lewis Boyle gegen politische Manöver des Polizeipräsidenten, des Hamburger Bürgermeisters sowie eines Senators, die ihre Gunst beim Volk nicht verwirken wollen. Während die „Bonzen“ des Präsidiums sich gegen eine öffentliche Warnung vor den tödlichen Gratisdrogen entscheiden und sich lediglich für eine Bandenrazzia aussprechen, muss Boyle sich die Frage stellen, ob er seinen Anweisungen nachkommt, oder seinem Gewissen nachgeht und die Öffentlichkeit vor der offensichtlichen Gefahr warnt. Mit dem unausweichlichen Ergebnis einer Suspendierung.

David Gray
Sarajevo Disco
ISBN: 978-3-86532-585-3

Blogtour: Essay zur Rehabilitation des Irrsinns durch proaktive Therapiemethoden

Anstatt eines Leseberichts hat der Buch- und Medienblog dem Protagonisten dieses Romans, Dr. Ludwig Meyer, folgendes Essay an den Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten, Heinrich von Mühler (1866), diktiert:

Achtung, hier gibt es etwas zu gewinnen!


brief-1866An den
Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten
Heinrich von Mühler

Geistige Fehlsteuerung und deren Zusammenhänge mit körperlichen Leiden. Rehabilitation des Irrsinns durch proaktive Therapiemethoden wie Musik, Dialog, Freiheit und Selbstbestimmtheit.

Viele Verantwortliche in den Irren- und Heilanstalten sind starrsinnige Anhänger der alten Lehre über geistige Krankheiten. In ihrer Renitenz verweigern Sie neue und revolutionäre therapeutische Ansätze zur Heilung geistiger und seelischer Störungen. Viele sogenannte Forscher sind gar nicht daran interessiert, fehlgeleitete und von der Norm abweichende Existenzen ernst zu nehmen. Sie wollen auch gar nicht wahrhaftig versuchen, sie wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Lieber sehen Anstaltsleiter ihre „Untertanen“ in urin- und kotgetränkten Kellern mit vergitterten Fenstern, als in einer menschenwürdigen Unterkunft mit Licht, Beschäftigung und Raum zur Entfaltung. Aufgrund ihrer eigenen Unwissenheit lassen sie Geisteskranke lieber siechend in Kellern verrotten, als ihren eigenen Profit durch eine wenn auch noch so geringe Humanisierung zu schmälern!

Doch in welcher Welt leben wir, dass wir Irre schlechter behandeln als unser Vieh?
Es stellt sich darüber hinaus die Frage nach der Identifizierung einer Störung sowie das Definieren ihrer Grenzen. Wo fängt sie an, welcher Habitus impliziert den Übertritt der Eigenheit eines Menschen hin zum Wahn? Ginge es nach Senator Ulrich, zählen bereits öffentliche Freude, Ausgelassenheit und Lebenslust zu den Charaktereigenschaften, die dem Irrsinns zuzuordnen seien – wobei er diese natürlich nicht als Charakteristika anerkennen würde, sondern sie dem Schwachsinn zuordnen würde. Vergleicht man das Wissen über Spektren der Musik oder des Lichts mit den Grenzen zwischen Irrsinn und dem „Normalen“, wird doch klar, dass es zwischen der Eindeutigkeit auch Abstufungen gibt. So wie ein weißer Lichtstrahl im Prisma in seine drei Spektralfarben geteilt wird, muss es sich doch auch im Geist des Menschen verhalten. Rot, Grün und Blau sind keineswegs die einzig gegebenen Farben. Zwischen ihnen gibt es unendlich viele Nuancen. Gleiches muss für das geistige Spektrum gelten! Da gibt es keine vernünftige Gegenrede. Es gibt eben nicht nur „Irrsinn und kein Irrsinn“, sondern unendlich viele Abstufungen dazwischen. Wenn Sie sich mit den Formen des Wahns näher befassen, begeben Sie sich auf einen Balanceakt zwischen Manipulierbarkeit, Selbstmanipulation und dem Verwechseln der Realitäten.
Nota bene, Realität ist ein durch Erfahrungen und Interpretationen gewachsenes Weltbild, das in jedem von uns verankert ist. In jedem etwas anders. Was also unterscheidet diese Weltanschauungen und wer sagt uns, welches dieser Bilder das richtige ist? Was ist die Welt?

Ich wiederhole mich wirklich nur ungern, doch meine Worte drohen im Sumpf einer allgemeinen Lethargie zu ertrinken. Aber „Aktion bringt Satisfaktion“. Das meine ich durchaus wörtlich. Obwohl es sich beim Vorgang der Erteilung von Satisfaktion ursprünglich natürlich um freie, waffentragende Männer handelte, die ihre Ehrenstreitigkeiten mit internen Mitteln und ohne eine übergreifende Autorität ausfochten bzw. gelöst haben, kann dieser Ansatz auch auf die Ehre von geistig Gestörten in Irren- und Heilanstalten Anwendung finden. Auch irrgeleitete Menschen müssen sich mit internen Mitteln und ohne eine übergreifende Autorität gegen die inneren Geister wehren können. Die treibende Kraft der Heilung ist überwiegend intrinsischer Natur, angeleitet und gestützt durch unsere fachkundigen Therapeuten und Ärzte. Dabei ist die Ausgewogenheit aus Aktion und Ruhe zu gewährleisten.
Dies führt augenscheinlich ganz unweigerlich zur Musik und deren wertvollem Zusammentreffen aus Motion und Emotion – Somatik und Psychik sind die willkommenen Stichwörter.
Das kann unmöglich Zufall sein, denn warum sollte der Mensch, der durch die Musik wertvolles Zusammenspiel schafft, in seinem täglichen Tun in einer Dissonanz zwischen Körperlichem und Geistigem residieren? Es muss einen Zusammenhang der Psychik und der Somatik geben. Eine Art Psychosomatik. Es ist geradezu unglaublich, dass dieser Fakt bislang nicht in Betracht gezogen, ausprobiert und analysiert wurde. Es ist geradezu empörend, mit welcher Vehemenz Tatsachen ignoriert, geleugnet und verschlossen werden. Koryphäen können und dürfen sich neuer Erkenntnis nicht verschließen. Es geht nicht nur um die Zusammenhänge von Musik und Stimmung und die Bedeutung von positiver Stimmung für das Seelenleben sondern um Fortschritte in der Bedeutung der Menschenwürde.
Eben diese sollte unantastbar sein!

Deshalb, Herr Minister von Mühler, erlaube ich, Dr. Ludwig Meyer, an Ihre Vernunft zu appellieren. Verschließen Sie sich der Zukunft nicht und verurteilen Sie die Gleichzeitigkeit von Lachen und Weinen, von Trauer und Freude nicht als Zeichen unabwendbaren Irrsinns, sondern ermöglichen Sie den geistig schwachen und erkrankten Persönlichkeiten den Erhalt oder den Wiederaufbau ihrer Würde. Durch fachgerechte Therapien können wir diese Menschen stützen und ihnen die Wiedereingliederung in unsere Gesellschaft ermöglichen.

© Oliver W. Steinhäuser


Von allen guten Geistern_Andreas Kollender_Buchblog_Oliver Steinhäuser_Blog_LiteraturSei ein Gewinner!

Im Rahmen der Blogtour verlost der Pendragon Verlag drei Kollender-Buchpakete mit jeweils einem Exemplar von „Kolbe“ und „Von allen guten Geistern“. Um an der Verlosung teilzunehmen, müssen die TeilnehmerInnen ein Lösungswort bilden. Das Lösungswort findet sich in den fünf Blogbeiträgen zu der Tour. In jedem Beitrag findet sich ein fett gedruckter Buchstabe – das Lösungswort besteht also aus fünf Buchstaben.
Zur Teilnahme an der Verlosung muss das Lösungswort an presse@pendragon.de gesendet werden. Einsendeschluss ist Freitag, der 17. März 2017 um 23:59 Uhr.

Die drei Gewinner werden aus allen Teilnehmern ausgelost. Nach der Auslosung werden die Gewinner per Mail benachrichtigt und um ihre Adressdaten gebeten. Die Adressdaten der Gewinner werden nur für den Versand benötigt und werden nicht an Dritte weitergegeben. Eine Barauszahlung des Gewinns ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Mit der Teilnahme am Gewinnspiel erklärt Ihr euch mit diesen Bedingungen einverstanden.

Was bisher geschah
Hier finden Sie die zwei vorherigen Beiträge:

06.03. https://seitengang.wordpress.com/ Rezension
07.03. http://leckerekekse.de/wordpress Interview mit Andreas Kollender

Was morgen und übermorgen passiert
Hier finden Sie die zwei folgenden Beiträge:

09.03. https://diedunklenfelle.wordpress.com/ Ein fiktives Interview mit Ludwig Meyer
10.03. https://wortgestalt-buchblog.de/ Ein Lesetagebuch zu den „Geistern“


„Die erste Irrenanstalt ohne Gitter wurde vor 150 Jahren eröffnet“ schreibt das Hamburger Abendblatt am 4. Oktober 2014 über die Irren- und Heilanstalt Friedrichsberg.


Andreas Kollender
Von allen guten Geistern
ISBN: 978-3-86532-575-4

Blogtour: Buch- und Medienblog in den letzten Vorbereitungen

Die Blogtour zu „Von allen guten Geistern“ von Andreas Kollender beginnt morgen!

Der Buch- und Medienblog ist nun in den letzten Vorbereitungen für die Veröffentlichung seines Textes am Mittwoch, den 08. März 2017.

Während der Lektüre, der Textvorbereitung und des Schreibens sind ihm wieder einmal kuriose Dinge passiert:

blogtour_kollender_2_Buch- und Medienblog, Blog, Oliver Steinhäuser_Foto:Oliver W. SteinhäuserDie Lektüre:
18.02.2017 – Während Oliver Steinhäuser vom Buch- und Medienblog zur Lektüre im Fernzug saß, ist er promt in einen zwanzig Mann starken Junggesellenabschied geraten. Daher musste er sein Frühstück kurzerhand um ein geselliges Bier und einen XL-Kaffee erweitern.

 

blogtour_kollender_1_Blogtour, Oliver Steinhäuser, Buch- und medienblog, Foto:Oliver W. SteinhäuserThemenfindung und Auswahl:
26.02.2017
– Zur Konzipierung des Essays hangelt sich der Buch- und Medienblog an den Kernaussagen und -themen des Revolutionsveruchs im Psychiatriewesen entlang.

 

 

Verfassen des Essays:
03.03.2017 – Während des Schreibens wollte ich unbedingt Bezug auf die heilende und stimmungsfördernde Wirkung von Musik nehmen. Dabei entstand die Idee, dass das Essay ebenso ein Brief vom Protagonist Dr. Ludwig Meyer an die Gesundheitsbehörde im Deutschen Kaiserreich sein könnte. Da Revolutionen auch die obersten Stellen der Macht erreichen müssen, könnte Dr. Ludwig Meyer das in drei Tagen auf dem Buch- und Medienblog veröffentlichte Essay (Mittwoch 08.03.2017) um 1866 auch an den (Gesundheits)Minister Heinrich von Mühler geschickt haben.

Blogtour zu „Von allen guten Geistern“

In der kommenden Woche, vom 6 – 10. März 2017, veranstaltet der Pendragon Verlag zusammen mit fünf Bloggern eine Blogtour zu „Von allen guten Geistern“ von Andreas Kollender. An jedem dieser fünf Tage veröffentlicht jeweils einer der unten aufgeführten Blogs einen Beitrag zu dem kürzlich veröffentlichten Roman.

Wer all diese Beiträge aufmerksam liest, erhält die Chance auf einen spannenden Buchgewinn!

blogtour-header_Oliver Steinhaeuser_Buch_Blog_Literatur_Andreas Kollender_Von allen guten Geistern

Links zu den teilnehmenden Blogs:
https://seitengang.wordpress.com/
http://leckerekekse.de/wordpress/
https://buchundmedienblog.com/
https://diedunklenfelle.wordpress.com/
https://wortgestalt-buchblog.de/

Lesebericht zu „Kolbe“ von Andreas Kollender

Kolbe-Alexander Kollender, Buch-und Medienblog, Oliver SteinhäuserWas war Fritz Kolbe für ein Mensch? Was trieb ihn im Kampf gegen ein gnadenloses und radikales Regime an? Wie wird aus einem einfachen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes ein abgeklärter Spion, der sukzessive Angst gegen Mut, und Zweifel gegen Kühnheit tauscht, um seinem Ziel – dem Ende des Zweiten Weltkriegs – näher zu kommen? Und wie kann es sein, dass diesen tollkühnen Fritz Kolbe niemand von uns kennt?

Fritz Kolbe, der nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, im September 1939, von seiner Position im Deutschen Konsulat in Kapstadt nach Deutschland beordert wird, ist fassungslos. Aus Sicherheitsgründen lässt er seine Tochter in Südafrika zurück, denn er ahnt, dass das Naziregime in Berlin nichts Gutes für sein Leben bedeuten kann. Bereits auf der langen Überfahrt spürt er das sich konzentrierende radikale Auftreten der Nazis, die es kaum erwarten können für ihren Führer in einen eisernen Kampf aufzubrechen. Auf seinem neuen Posten im Auswertigen Amt in Berlin, quält ihn das Wissen über das Unrecht, das vielen Menschen widerfährt, und das er täglich in den geheimen Akten liest. Er fasst den Entschluss, das brisante Material aus dem Amt zu schmuggeln und es auf seinen Dienstreisen nach Bern den Amerikanern zuzuspielen.

„Kolbe“ ist in zwei Perspektiven gegliedert. Es wechseln sich die Geschehnisse während des Krieges mit den Erinnerungen Fritz Kolbes, wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, ab. Grund dieser Szenenwechsel ist, dass Kolbe mehrfach versucht hat, seine eigene Geschichte niederzuschreiben. Da er allerdings nicht mit den Regeln des Schreibens vertraut ist, verzettelt er sich wieder und wieder. Aus diesem Grund veranlasst sein schweizer Freund Eugen Sacher den Besuch eines Journalisten und einer Fotografin. Gemeinsam ergründen sie Fritz´ Geschichte, hören ihm zu, fragen ihn aus. Zunehmend wird aus den journalistischen Notizen und dem Gespräch, die Geschichte um den vergessenen Spion aufgebaut. Typografisch kann der Leser stets zwischen diesen beiden Blickwinkeln unterscheiden. Die Geschichte Kolbes verläuft allerdings zunehmend zu einem aufregenden und dramatischen Gesamten.

Andreas Kollender gelingt es, beide Perspektiven mit einer enormen Authentizität zu beschreiben, sodass keinerlei Zweifel an seiner Geschichte aufkommen. Auch wenn der Leser bereits weiß, dass in diesem Buch Realität und Fiktion vereint werden, um ein spannendes Gesamtbild zu projizieren.
Kontinuierlich lernen wir mehr Details über Fritz Kolbe kennen und freuen uns, über – seine durch Selbstzweifel ausgelöste – authentische und bescheidene Menschlichkeit. Ein Charakter, der sich auch nach Kriegsende, beim Treffen mit den Journalisten, nicht verstellen muss.
Besonders gelungen sind die fließenden Übergänge zwischen den Gesprächen in Kolbes Unterschlupf und den Geschehnissen in Berlin und Bern während des Krieges. Es gleicht einer Kamerafahrt zwischen den Perspektiven und ermöglicht es dem Leser, seinen eigenen inneren Film aufzubauen.

Dieses Buch muss einfach gelesen werden!

Andreas Kollender
Kolbe
ISBN: 978-3-86532-489-4

 

Lesebericht zu „Kanakenblues“ von David Gray

KanakenbluesEin Gangster und ein Bulle – seit frühen Jugendjahren befreundet – verstricken sich in korrupte Geschäfte mit kriminellen Kiezgrößen. Der farbige Kriminalbeamte Boyle und sein Freund Teddy, tauschen Drogen aus der Asservatenkammer, gegen Geld und Informationen. Informationen, mit denen Boyle sich an zwei Kollegen rächt und sie somit hinter Gitter bringt. Ein Jahr später begleitet der Rezipient Kommissar Boyle durch eine Nacht, die er nicht vergessen wird.
Kurz hintereinander werden zwei junge Männer ermordet aufgefunden. Sie wurden durch Schüsse eiskalt hingerichtet. Boyle glaubt nicht an Zufälle. Unter Hochdruck sucht er nach einer Verbindung zwischen den Mordfällen, denn einer der Ermordeten ist ausgerechnet der Sohn des Hamburger Polizeipräsidenten. Bei seinen Ermittlungen bekommt Boyle es mit korrupten Polizisten, mächtigen Gangsterbossen und nicht zuletzt mit den Schatten seiner eigenen Vergangenheit zu tun. Als sich die Hinweise verdichten, beginnt eine gnadenlose Hetzjagd auf den „Kanakenmörder“, hinter dem nicht nur die Polizei her ist.  Die Zeit für Boyle wird verdammt knapp in dieser Nacht, in der das Morden kein Ende nehmen will …

In „Kanakenblues“ prallt der Leser auf eine kulturelle Vielfalt, die David Gray durch ausgelebte Korruption verbildlicht. Er zeigt die verschiedenen Machtverhältnisse innerhalb staatlicher Behörden und denen der organisierten Kriminalität auf. Mit dem blauäugigen, afroamerikanischen Kriminalkommissar Boyle, präsentiert er einen abgebrühten, mit Vorurteilen belasteten Protagonisten, der als Polizist ernst genommen werden will, allerdings nicht darauf verzichtet, mit Kriminellen Geschäfte abzuwickeln, um seinen Lebensabend zu sichern.

Während der Leser weiß, wer der Mörder der Jugendlichen ist, befinden sich die Ermittler auf einem Ratespiel. Sie verdächtigen die ihnen bekannten Kriminellen sowie Kollegen aus den eigene Reihen. Sie erfahren erst nach und nach, wer sich hinter den Morden verbirgt und welche Beweggründe den Mörder Younas dazu anhalten, zu morden.
Eine kräftige und ungeschönte Sprache, verleiht der brutalen Geschichte, die Authentizität, die notwendig ist, um den „Kanakenblues“ dem Rezipienten dort zu visualisieren, wo er stattfindet: Auf der Straße.
Durch enorm viele Verstrickungen zwischen den handelnden Personen, muss man einen klaren Kopf bewahren, um den Kontext des Buches nicht aus den Augen zu verlieren. Dadurch bleibt die Spannung konstant auf einem hohen Level erhalten und sorgt bis zum Schluss dafür, dass der „Kanakenblues“ aufregend und überraschend bleibt.


„Neben der Integration des „Bösen“ in den Alltag, in die Arbeit der Polizei, in die Gesellschaft, neben der Frage nach der Zulässigkeit von Selbstjustiz, wenn die staatlichen Organe versagen, neben der Auseinandersetzung mit dem Fremdsein, dem Andersein bietet er eben auch ein großes Lesevergnügen“, beschreibt Anne Kuhlmeyer den „Kanakenblues“ auf ihrem Blog „Wort & Tat“ und beziffert damit die Vielfalt der im Buch verarbeiteten Konflikte.


David Gray
Kanakenblues
ISBN: 978-3-86532-454-2