Lesebericht zu „Des Teufels Gebetbuch“ von Markus Heitz

Des Teufels Gebetbuch_Markus Heitz_Blog_Oliver Steinhaeuser_RezensionIn illegalen Spielpartien zocken reiche Kartenbegeisterte um historische Karten. Ihr Einsatz ist eine Menge Geld und jeweils eine historische Spielkarte. Gespielt wird „Supérieur“, bei dem die Spieler nacheinander Karten aufnehmen. Die höchste Karte gewinnt, alle anderen verlieren ihren Einsatz pro Runde. Wer die „Pik-Ass“ zieht hat automatisch alles verloren. Auch sein Leben. So sehen es die historischen Spielregeln vor, denn der Verlierer seines gesamten weltlichen Besitzes findet seine Ruhe besser im Tod als im Leben.
Hyun, die die Nachricht über den Unfalltod ihres zockenden Verlobten nicht recht glauben möchte, will die Organisatoren des illegal arrangierten Spiels zur Rechenschaft ziehen und löst bei der nächsten Partie in Baden-Baden eine Lawine ungeahnten Ausmaßes aus, die mit dem Tod eines russischen Oligarchensohnes zudem noch einmal mehr an Rasanz gewinnt.

Des Teufels Gebetbuch ist eine gelungene Kombination aus dem historischen Entstehungsprozess der Spielkarten und der Wirkung von Kartenspielen in unserer Gesellschaft. Die Verwunderung über die Macht des historischen Kartendecks fesselt den Leser so stark an das Buch, dass die im Anhang mitgereichten Informationen über die Entstehung von Kartenspielen und deren Weg nach und in Europa mit Euphorie weiterstudiert werden.
Die Verwendung historisch nachweisbarer Fakten und echt existierender Charaktere in der Geschichte zum Teufels Gebetbuch erzeugt eine solche Authentizität, sodass der Leser keinen Zweifel an der Story hat – obwohl er natürlich weiß, dass es um einen Roman mit fiktiven Elementen handelt.

Richtig interessant wird die Thematik, sobald der Leser das Geschriebene reflektiert. Das historische Kartenspiel des Romans wurde im Auftrag des Teufels im Heiligen Römischen Reich um 1768 in Leipzig mit einem Kupferstich gedruckt. Man kann sich nun die Frage der Existenz des Teufels stellen. Dann muss man jedoch gleichzeitig über die Existenz Gottes grübeln. Sind das nun fantastische Elemente? Beim Teufel und Gott eher nicht. Wie dem auch sei: Ist es nicht das Spielen an sich, dass in uns Menschen das teuflische in Form von Habgier, Missgunst und Sucht auslöst? Ebenso wie das Göttliche nicht körperlich existiert, sondern durch unser Handeln als Mensch erst zu Vorschein kommt.


Achtung! Dieses Buch fesselt den Leser an sich. Ein Entkommen der eigenen Gedanken aus dem Buch ist auch nach Beenden der Lektüre kaum möglich!


Markus Heitz liefert in den beiden Erzählsträngen einerseits eine sagenhaft düstere Aura, durch die der Leser ins alte Leipzig des Heiligen Römischen Reichs entführt wird. Zurück in die Zeit, zu der der Kupferstecher Bastian Kirchner im Verlagshaus Breitkopf tätig ist und das Kartendeck herstellt. Im zweiten Erzählstrang befindet sich der Leser in der rasanten Gegenwart, die von der Jagd nach eben diesen historischen Karten – des Teufels Gebetbuch – dominiert wird. Dass einige Protagonisten, Tadeus Boch allen voran, über unglaubliche Fähigkeiten verfügen – er spricht und versteht beinahe jede Sprache – ist kaum zu begreifen und strapaziert die Glaubwürdigkeit. Aber es schadet dem Buch nicht. Die Geschichte selbst ist so unglaublich, dass dem Leser diese Makel zwar nicht entgehen, sie ihn aber nicht davon abhalten, mehr über des Teufels Gebetbuch erfahren zu wollen. Und sich zusammen mit Hyun und Tadeus in den entlegensten Winkeln Italiens, Frankreichs, Belgiens, Russlands und Westafrikas rumtreiben, um alle Karten des Decks zusammenzubekommen. Nachdem auch Tadeus der Aura einer Karte anheimgefallen ist und er ihre negative und böse Ausstrahlung auf sein Denken und Handeln bemerkt, ist es der beiden Ziel, die unzerstörbaren Karten wenigstens so zu verbergen, dass kein Mensch mehr sie erreichen soll.

Markus Heitz
Des Teufels Gebetbuch
ISBN: 978-3-426-65419-4

Lesebericht zu „Die Mutter des Satans“ von Claudia & Nadja Beinert

Stolz erfüllt Eltern, deren Kinder Erkenntnisse für die Menschheit liefern und der Gesellschaft ein nachvollziehbares und realitätsnahes Leben ermöglichen. Ein Leben und Denken abseits absurder Repressalien. So ist es auch bei Margarethe Luder, deren Sohn Martin im frühen 16. Jahrhundert die Lehre der katholischen Kirche in Frage stellt. Während der Vater Hans sich von Martin abwendet und ihn verstößt, liebt seine Mutter ihn weiterhin. Obwohl auch sie Zweifel und Unheil vor seinen reformatorischen Thesen für sich, ihre Familie und das gesamte Volk befürchtet.

Die Geschwister Beinert durchleuchten in „Die Mutter des Satans“ das Leben der Margarethe Luder. Eine Frau deren Aufgabe das Gebären, Zusammenhalten und Umsorgen der Familie ist – eine übliche Aufgabe für Frauen des 15. und 16. Jahrhunderts. Ihr Mann Hans ernährt mit dem Verdienst aus der Erzschmelze die Familie. Mit seinen gepachteten Schmelzhütten verdient er dabei anfangs kein schlechtes Geld und beschäftigt mehrere Hauer, die ihm das Gestein zum Ausschmelzen von Kupfer und Silber aus dem Berg treiben. Die Luders sind in Mannsfeld eine gut und gern gesehene Familie. Bis Sohn Martin sein Jurastudium abbricht und sich für ein Leben als Mönch entscheidet. Er spaltet die Familie zutiefst. Während seine Mutter mit Unbehagen und Fassungslosigkeit reagiert, spricht ihm der Vater die Familienzugehörigkeit ab. Niemals werde ein Kuttenträger der Familie Luder zugehören! Harte Worte, die den jungen Mann nicht davon abbringen können. Denn er handelt allein nach seinem Gewissen und Überzeugung. Mit dem Thesenanschlag in Wittenberg 1517 beginnt eine turbulente Zeit. Für Martin, der sich nach Eleutherius – die latinisierte Form des spätgriechischen Namen Ελευθέριος („Befreier“) – fortan Luther schreibt. Aber auch für seine Familie, da sie die Wut der strengen katholischen Kirche und unterwürfigen Bürgern auf die reformatorischen Gedanken und Äußerungen Martins zu spüren bekommt.

Der Roman eignet sich für zwei Zielgruppen:
Erstere ist, wer detaillierte Kenntnis zum Leben der Margarethe Luder erfahren möchte. Die Geschwister Beinert haben mit viel Liebe zum Detail einen ausführlichen Roman um die geschichtlichen Fakten geschrieben und das Wirken von Martin Luthers Mutter plastisch zum Leben erweckt.
Die zweite Zielgruppe stellen Informationssuchende, die die Entwicklung Martin Luthers sowie seiner Familie aus einem spannend erzählten Kontext erleben möchten. Wer jeweils ein bis zwei Sätze am Absatzbeginn und -ende der zahlreichen Absätze liest, erfährt all diese geschichtlich prägenden Ereignisse und kann dem Leben der Luders zusehen.

Erzählt wird die Geschichte aus den Erinnerungen von Margarethe Luder, die ihr Leben während des Portraitierens bei Lucas Cranach Revue passieren lässt. Deren Sohn Martin zu Beginn lediglich für die Abschaffung von Missbräuchen eingetreten war, der sich zum Reformator der Kirche entwickelt hat und Reliquien, Ablässen sowie Heiligenverehrung bedeutungslos machte. Obwohl Martin Luther seinerzeit die gesamte Kirche gegen sich aufbrachte, ist es nicht Rebellion, sondern die Suche nach Gottes Gnaden, die ihn bewegt und antreibt. Für ihn steht fest, dass ein Christ kein gutes Werk zu tun braucht, um fromm zu sein. „Es ist genau umgekehrt. Kaum dass er [der gute Christ] meint, sich Frömmlichkeit erst verdienen zu müssen, verliert er seinen Glauben. Es ist wie mit einem Hund, der ein Stück Fleisch im Maul trägt, nach seinem Spiegelbild im Wasser schnappt und genau deshalb Fleisch und Spiegelbild verliert.“ (S. 336).

Zu Beginn des Buches erlebt der Leser Martins Vater Hans als einen Menschen, der seinem Sohn Misstrauen gegenüber Dritten lehrt, damit er sich nicht übers Ohr hauen lässt. Dass Martin letzten Endes genau das mit seiner Reformation tut, entgeht dem tobenden Vater völlig. Er ist im Gegensatz zu seinem Sohn nicht an Wahrhaftigkeit, sondern nur an seiner Reputation interessiert. Martin interpretiert seines Vaters Lehre zu gesundem Misstrauen auf seine eigene Art. Für ihn zählt mehr, als nur Dinge die auf das Diesseits gerichtet sind. Gottes Gnade und das Verhindern der ewigen Verdammnis hebt er über Besitz und weltlichen Ruhm. Er handelt am Ende misstrauisch wie vom Vater gewollt und doch anders als es Hans jemals in den Sinn gekommen wäre.

Die Mutter des Satans
Claudia & Nadja Beinert
ISBN: 978-3-426-65383-8

Lesebericht zu „Guilty – Doppelte Rache“ von Lisa Jackson

Guilty - Doppelte Rache von Lisa Jackson, Buchblog Oliver Steinhäuser_Rezension_InhaltsangabeEin brutaler Ritualmörder hat es auf Zwillingspärchen abgesehen. Seine Opfer, ausschließlich weibliche Zwillingsgeschwister, entführt kurz vor deren 21. Geburtstag, dem Übertritt aus dem Jugendalter zur Volljährigkeit. Doch der während eines Indizienprozesses verurteilte Täter sitzt in Haft. Detective Bentz und Montoya kämpfen mit Widersprüchen und der aktuelle Vermisstenfall der Denning-Zwillingsmädchen involviert immer mehr Menschen, bei denen nicht ersichtlich wird, wie und ob sie in diesem Spiel mitwirken.

Jahrelang ist es ruhig um den 21er-Killer, als plötzlich zwei Mädchen spurlos verschwinden. Handelt es sich hierbei um einen Trittbrettfahrer oder unterlief der Justiz ein Fehler und der wahre 21er-Killer läuft seit Jahren frei umher?
Das Buch steckt voller Geschichten um Zwillinge, deren besonderen Verbindungen zueinander und die Folgen eines Verlusts.
Während Zwillinge mit Verlusterfahrung sich in der Selbsthilfegruppe der „Zwillinglosen Zwillinge“ treffen, um über ihre Traumata zu sprechen, wachen Zoe und Chloe Denning in einem feuchten und kalten Verlies auf. Vor ihnen arbeitet ein bulliger Mann unerlässlich an abstrusen Vorbereitungen und trällert „Happy Birthday“. Beide fürchten, dass sie dem Monster nicht entkommen werden und dies ihr Todesurteil zu werden droht. Doch Zoe gibt nicht auf und ihr gelingt es tatsächlich sich zu befreien und ihren Peiniger außer Gefecht zu setzen. Zumindest so lang, dass sie ihre Schwester ebenfalls befreien und mit ihr fliehen kann. Temporär. Denn während es Zoe gelingt zu entkommen, wird Chloe wieder eingefangen. Doch der Mörder muss die ältere der beiden Zwillinge auch unbedingt wieder einfangen. Sie muss nämlich als erstes sterben. So sieht es sein Plan vor und Ordnung muss sein!

Die Flucht, die Suche und das Wiedereinfangen der Zwillinge stellen die großen Spannungsmomente in „Guilty“, auch wenn der Leser gelegentlich selbst zu verzweifeln beginnt: Die beiden Zwillinge haben so viele Chancen ergriffen und scheinen es aus den Fängen des Irren zu schaffen. Getrennt voneinander müssen sie jedoch mit derben Rückschlägen kämpfen, nichtwissend wie es dem anderen geht und ob er es weiter geschafft hat.


Die schiere Zwillingsflut schränkt die Verständlichkeit beim Lesen nicht ein,
sie macht es jedoch sehr komplex, in einer Rezension etwas darüber zu schreiben.


Das Schöne an der New Orleans Reihe mit Detective Rick Bentz und Reuben Montoya ist, dass Lisa Jackson Verbindungen zwischen den Büchern herstellt, die dem Leser Vertrautes und Bekanntes in Erinnerung rufen. Dabei ist es irrelevant, ob man alle Reihentitel kennt und gelesen hat. Der Buch- und Medienblog hat selbst nur „Pain. Bitter sollst du büßen“ und „Desire“ (Band 1. & 7. der Reihe) gelesen. Jackson setzt im aktuellen Band „Guilty“ mit dem „Rosenkranzmörder“ eine Klammer um den aktuellen Fall und lässt den Leser in der Hoffnung auf weitere Fälle mit dem Ermittlerduo Bentz und Montoya zurück. Für Bentz rückt die Möglichkeit der Rente kontinuierlich näher und er befindet sich mittlerweile an einem Punkt, an dem er den Ruhestand zumindest nicht gänzlich ins Abseits drängt. Doch bevor er sich aus dem aktiven Dienst verabschieden würde, muss er den „Rosenkranzmörder“ unbedingt noch dingfest machen!

Lisa Jackson
Guilty – Doppelte Rache
ISBN: 978-3-426-65395-1

Lesebericht zu „Albertos verlorener Geburtstag“ von Diana Rosie

Albertos verlorener Geburtstag, Buchblog, Oliver Steinhäuser, MedienblogManchmal gibt es ein ganz besonders starkes Band zwischen einem Großvater und seinem Enkel. Doch nur selten führt es dazu, dass beide eine Reise in die Vergangenheit unternehmen. Eine Expedition zum Ursprung des Großvaters Alberto Romero. Umso schöner, wenn das Duo dabei auch findet, wonach der siebenjährige Tino sich so arg sehnt: Albertos verlorenen Geburtstag.

Auf ihrer Reise in das Landesinnere Spaniens erleben die beiden Abenteurer glückliche Erfolge und drastische Rückschläge. Da Albertos Kindheit im Waisenheim bereits viele Jahre her ist, begeben er und Tino sich auf eine Suche, deren Erfolg ungewiss ist. Das Aufspüren von damaligen Weggefährten gestaltet sich knifflig. Albertos Amnesie seiner frühen Kindheitstage würzt die Suche mit einer zusätzlichen Prise Spannung.
Das Buch zeichnet sich durch seinen besonderen Aufbau aus. Die Suche des Großvaters und seines Enkels ist die gegenwärtige Geschichte. In eingeschobenen Kapiteln erfährt der Leser Teilstücke aus der Zeit des spanischen Bürgerkriegs. Diese Einschübe beschreiben in umgekehrter Reihenfolge die Zeit von 1931 bis 1937, in der Alberto geboren und seine ersten Lebensjahre beschreitet. Durch die Umkehrung der Zeit erfährt der Leser sukzessive wie es zu dem tragischen Tag kam, als der junge Alberto von einem Ausflug mit seinem Vater nicht mehr zurückkehrte und in einem Waisenheim untergebracht wurde. All diejenigen, die an dem Verlauf der Geschichte mitgewirkt haben, schildern die Geschehnisse aus ihrer persönlichen Sicht. Durch die Erzählung aus den Ich-Perspektiven finden die erlebten Gefühle aller Beteiligten auf unmittelbarem Weg Einzug in das Empfinden des Lesers.
Neben der Geschichte zu „Albertos verlorenem Geburtstag“ erzählt das Buch auch einiges zum spanischen Bürgerkrieg. Die ausgewogene Mischung aus historischem Hintergrund und der einzigartigen Suche nach der Vergangenheit machen dieses Buch zu einem wunderbaren, spannenden, herzzerreißenden und einzigartigen Lesevergnügen, das mit unerwarteten Wendungen aufwartet. Und es lehrt uns, dass Gott uns manchmal Prüfungen auferlegt und viel von uns fordert. Doch wer eine positive Grundhaltung widriger Umstände gegenüber besitzt, der wird seinen Mitmenschen gegenüber stets im Vorteil sein.


Der Buch- und Medienblog verbindet mit dieser Geschichte unzählige ähnliche Geschehnisse. Zum 80. Geburtstag seines Großvaters reiste auch er in die Vergangenheit und erfuhr während einer 5-tägigen Reise was es bedeutete im Krieg Dinge zu verlieren, sie nach Jahren wiederzuentdecken, verblasste Erinnerungen erneut zu erleben und sie mit seiner Enkelgeneration zu teilen.


Diana Rosie
Albertos verlorener Geburtstag
ISBN: 978-3-426-65393-7

 

Lesebericht zu „Eisige Schwestern“ von S. K. Tremayne

Zwillinge, Eisige Schwestern, Schottland, BuchblogEineiige Zwillinge sind ein aufregendes Phänomen und bieten gerade in jungen Jahren oft Anlass zur Verwechslung. Machen sie sich einen Spaß darauß, ihre Identitäten zu vertauschen, um ihre Mitmenschen zu verwirren, kann es passieren, dass ihnen selbst die eigenen Eltern auf den Leim gehen. Doch welche schaurigen Auswirkungen hat es, wenn ein Ko-Zwilling ums Leben kommt, und die Familie den falschen Zwilling tot glaubt?

Lydia und Kirstie waren Zwillinge. Unzertrennlich. Nachdem Lydia einen Sturz vom Balkon nicht überlebte, entwickelt sich Kirstie zur Einzelgängerin. Kein Gleichaltriger möchte seine Zeit gemeinsam mit ihr verbringen. Und sie selbst sucht verzweifelt nach ihrer Schwester, die sie so sehr vermisst. Der Umzug von London, auf eine Privatinsel der schottischen Hebriden, soll den Start in ein neues Leben, fernab der tragischen Vergangenheit werden, und Kirstie ein Leben in neutraler Umgebung ermöglichen. Doch plötzlich eröffnete sie ihrer Mutter Sarah: „Ich bin nicht Kirstie! Ihr habt den falschen Zwilling beerdigt!“
S. K. Tremayne führt seine Leser in das winterlich dunkle, windig und kalte Schottland. Tage, die von Dunkelheit geprägt sind, bilden die Kulisse, in der die aus London zugezogene Familie ihr neues Leben zu starten versucht. Aufgrund der Enthüllung ihrer Tochter, sie sei der beerdigte Zwilling Lydia, richtet die Familie eine zweite Trauerfeier aus. Allerdings ergibt sich auch aus dieserm Abschied keine Ruhe vor den Umständen der Geschehnisse des Unfalls, im vergangenen Jahr. Mutter Sarah interpretiert die Aussagen und das merkwürdige Verhalten ihrer Tochter zum Nachteil ihres Mannes Angus und wirft ihm vor, seiner Tochter näher gekommen zu sein, als er es hätte tun dürfen.

Während das Ehepaar Moorcroft bis dahin verzweifelt versuchte, ihre wankende Liebe zu stützen und das gegenseitige Vertrauen neu zu ergründen, leitet Sarah mit diesen Vorwürfen ein Spiel ein, dass sie nicht unter Kontrolle zu bringen vermag. Ihre Beziehung wird zunehmend von Misstrauen bestimmt. Weder Angus noch Sarah zeigen ihre wahren Ansichten dem anderen Gegenüber.
S.K. Tremayne konstruiert in „Eisige Schwestern“ eine Familie, deren Gefühle und Umgang miteinander, mit dem rauhen schottischen Wetter korrespondiert. Der Buchtitel, das Wetter und die Gefühlswelten der Protagonisten ergeben ein perfektes Zusammenspiel: Eisige Kälte, schockierende Gedanken und schauererregende Szenen. Dadurch, dass Tremayne seine Charaktere kaum beschreibt, sondern sie aktiv handeln lässt (Show, don’t tell), präsentiert er, in Bezug auf die Gefühlsebene, sehr authentische Personen. Dank den detailliert ausgearbeiteten und authentischen Handlungen der Familie Moorcroft, kommt das Buch ohne ausschweifende optische Finesse in der Charaktergestaltung aus.

S. K. Tremayne
Eisige Schwestern
ISBN: 978-3-426-51635-5

 

Lesebericht „Der Augensammler“ von Sebastian Fitzek

Augensammler

Der Augensammler spielt mit dir das wohl älteste Spiel der Welt: Verstecken.
Er tötet deine Frau, entreißt dir dein geliebtes Kind und versteckt es. Er schenkt dir exakt 45 Stunden, um es aus seinen Fängen zu befreien! Der Countwown läuft.

Klappentext:
Erst tötet er die Mutter, dann verschleppt er das Kind und gibt dem Vater 45 Stunden Zeit für die Suche. Das ist seine Methode. Nach Ablauf der Frist stirbt das Opfer in seinem Versteck. Doch damit ist das Grauen nicht vorbei: Den aufgefundenen Leichen fehlt jeweils das linke Auge. Bislang hat der »Augensammler« keine brauchbare Spur hinterlassen. Da meldet sich eine mysteriöse Zeugin: Alina Gregoriev, eine blinde Physiotherapeutin, die behauptet, durch bloße Körperberührungen in die Vergangenheit ihrer Patienten sehen zu können. Und gestern habe sie womöglich den Augensammler behandelt.

Bereits zum dritten Mal hat der „Augensammler“ zugeschlagen, als Alexander Zorbach, der Ich-Erzähler die Bühne seines Grauen betritt.

Nachdem er während eines Einsatzes als Verhandlungsführer in einer Kindesentführung die geistig verwirrte Täterin erschoss, quittierte Zorbach den polizeilichen Dienst und bestreitet sein Leben seitdem als Polizeireporter einer Berliner Tageszeitung. In dieser Eigenschaft folgt er den Hinweisen des durch die Presse betitelten Augensammlers. Doch gerade die Erfahrungen und hilfreichen Kontakte zur Polizei werden ihm beim aktuellen, dem vierten Fall des Täters, möglicherweise zum Verhängnis. Sein sehr frühes Erscheinen am Tatort, das Auffinden seines verlorengegangenen Portemonnaies im Garten des Opfers sowie die Bekanntschaft mit der ermordeten Frau rücken ihn zunehmend in den Fokus der Ermittlungen.
Immer wieder zieht Zorbach sich in sein heimliches Versteck zurück, einem Hausboot, um seinen familiären Problemen und den polizeilichen Nachforschungen zu entfliehen.

Während sein ehemaliger Kollege Stoya diese Ermittlungen führt, verdichten sich die Indizien zunehmend gegen Zorbach, der nach und nach selbst an seiner Wahrnehmungsfähigkeit zweifelt. Noch mysteriöser wird die Geschichte, als er in seinem Hausboot auf die blinde Physiotherapeutin Alina Gregoriev trifft, die behauptet, mit dem „Augensammler“ Kontakt gehabt zu haben. Da er selbst keinen anderen Anhaltspunkt zur Entkräftigung des Verdachtes gegen ihn hat, geht er dieser Spur nach und bildet mit Alina ein irrwitziges und sonderbares Duo.

Sebastian Fitzek arrangiert seine Geschichte aus mehreren, im Wechsel angelegten Perspektiven. Dominierend ist dabei dich Ich-Perspektive des Alexander Zorbach, zu der sich die weiteren Akteure gesellen. Mehrfach streut Fitzek des Weiteren die Gefühle und Gedanken des gefangenen Kindes Tobias Traunstein ein.

Den Kernpunkt des Buches „Der Augensammler“ legt der Autor auf die Suche der noch lebenden Opfer – Tobias Traunstein und seine Schwester – sowie das ablaufende Ultimatum. Diesen Wettlauf verdeutlicht Fitzek mit der Nummerierung der Kapitel sowie der Paginierung der Einzelseiten – denn die Zählung läuft jeweils rückwärts. In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass das Buch mit dem Prolog endet und damit die Geschichte beginnt.

Durch diesen Kniff kann der Leser nicht abschließen mit dem Titel. Man steht letztendlich vor Spannung unter Druck und weis, es fängt erst richtig an!

 

Sebastian Fitzek
Der Augensammler
Taschenbuch, 464 S.
ISBN: 978-3-426-50375-1