Lesebericht zu „Die Mutter des Satans“ von Claudia & Nadja Beinert

Stolz erfüllt Eltern, deren Kinder Erkenntnisse für die Menschheit liefern und der Gesellschaft ein nachvollziehbares und realitätsnahes Leben ermöglichen. Ein Leben und Denken abseits absurder Repressalien. So ist es auch bei Margarethe Luder, deren Sohn Martin im frühen 16. Jahrhundert die Lehre der katholischen Kirche in Frage stellt. Während der Vater Hans sich von Martin abwendet und ihn verstößt, liebt seine Mutter ihn weiterhin. Obwohl auch sie Zweifel und Unheil vor seinen reformatorischen Thesen für sich, ihre Familie und das gesamte Volk befürchtet.

Die Geschwister Beinert durchleuchten in „Die Mutter des Satans“ das Leben der Margarethe Luder. Eine Frau deren Aufgabe das Gebären, Zusammenhalten und Umsorgen der Familie ist – eine übliche Aufgabe für Frauen des 15. und 16. Jahrhunderts. Ihr Mann Hans ernährt mit dem Verdienst aus der Erzschmelze die Familie. Mit seinen gepachteten Schmelzhütten verdient er dabei anfangs kein schlechtes Geld und beschäftigt mehrere Hauer, die ihm das Gestein zum Ausschmelzen von Kupfer und Silber aus dem Berg treiben. Die Luders sind in Mannsfeld eine gut und gern gesehene Familie. Bis Sohn Martin sein Jurastudium abbricht und sich für ein Leben als Mönch entscheidet. Er spaltet die Familie zutiefst. Während seine Mutter mit Unbehagen und Fassungslosigkeit reagiert, spricht ihm der Vater die Familienzugehörigkeit ab. Niemals werde ein Kuttenträger der Familie Luder zugehören! Harte Worte, die den jungen Mann nicht davon abbringen können. Denn er handelt allein nach seinem Gewissen und Überzeugung. Mit dem Thesenanschlag in Wittenberg 1517 beginnt eine turbulente Zeit. Für Martin, der sich nach Eleutherius – die latinisierte Form des spätgriechischen Namen Ελευθέριος („Befreier“) – fortan Luther schreibt. Aber auch für seine Familie, da sie die Wut der strengen katholischen Kirche und unterwürfigen Bürgern auf die reformatorischen Gedanken und Äußerungen Martins zu spüren bekommt.

Der Roman eignet sich für zwei Zielgruppen:
Erstere ist, wer detaillierte Kenntnis zum Leben der Margarethe Luder erfahren möchte. Die Geschwister Beinert haben mit viel Liebe zum Detail einen ausführlichen Roman um die geschichtlichen Fakten geschrieben und das Wirken von Martin Luthers Mutter plastisch zum Leben erweckt.
Die zweite Zielgruppe stellen Informationssuchende, die die Entwicklung Martin Luthers sowie seiner Familie aus einem spannend erzählten Kontext erleben möchten. Wer jeweils ein bis zwei Sätze am Absatzbeginn und -ende der zahlreichen Absätze liest, erfährt all diese geschichtlich prägenden Ereignisse und kann dem Leben der Luders zusehen.

Erzählt wird die Geschichte aus den Erinnerungen von Margarethe Luder, die ihr Leben während des Portraitierens bei Lucas Cranach Revue passieren lässt. Deren Sohn Martin zu Beginn lediglich für die Abschaffung von Missbräuchen eingetreten war, der sich zum Reformator der Kirche entwickelt hat und Reliquien, Ablässen sowie Heiligenverehrung bedeutungslos machte. Obwohl Martin Luther seinerzeit die gesamte Kirche gegen sich aufbrachte, ist es nicht Rebellion, sondern die Suche nach Gottes Gnaden, die ihn bewegt und antreibt. Für ihn steht fest, dass ein Christ kein gutes Werk zu tun braucht, um fromm zu sein. „Es ist genau umgekehrt. Kaum dass er [der gute Christ] meint, sich Frömmlichkeit erst verdienen zu müssen, verliert er seinen Glauben. Es ist wie mit einem Hund, der ein Stück Fleisch im Maul trägt, nach seinem Spiegelbild im Wasser schnappt und genau deshalb Fleisch und Spiegelbild verliert.“ (S. 336).

Zu Beginn des Buches erlebt der Leser Martins Vater Hans als einen Menschen, der seinem Sohn Misstrauen gegenüber Dritten lehrt, damit er sich nicht übers Ohr hauen lässt. Dass Martin letzten Endes genau das mit seiner Reformation tut, entgeht dem tobenden Vater völlig. Er ist im Gegensatz zu seinem Sohn nicht an Wahrhaftigkeit, sondern nur an seiner Reputation interessiert. Martin interpretiert seines Vaters Lehre zu gesundem Misstrauen auf seine eigene Art. Für ihn zählt mehr, als nur Dinge die auf das Diesseits gerichtet sind. Gottes Gnade und das Verhindern der ewigen Verdammnis hebt er über Besitz und weltlichen Ruhm. Er handelt am Ende misstrauisch wie vom Vater gewollt und doch anders als es Hans jemals in den Sinn gekommen wäre.

Die Mutter des Satans
Claudia & Nadja Beinert
ISBN: 978-3-426-65383-8

Lesebericht zu „Blood on Snow – Das Versteck“ von Jo Nesbø

Jo Nesbø, Das Versteck, Blood on Snow, Ullstein, BuchblogDa ist er wieder und flimmert über die imaginäre schwarz-weiße Mattscheibe. Erneut darf der Leser seinen liebgewonnenen Olav, Ulf oder wie immer er sich selbst gerade nennt, beobachten. Ihm zuschauen wie er sich in seiner Naivität um Kopf und Kragen redet und seiner Umwelt oft schutzlos ausgeliefert ist. Und das obwohl er ein gesuchter Auftragskiller ist.

Wir begleiten unseren Protagonisten auf der Suche nach einem sicheren Versteck. Einem Zufluchtsort, an dem ihn sein letzter Auftragsgeber, der „Fischer“ um keinen Preis finden soll. Da Ulf ihn um eine Menge Geld betrogen hat, droht ihm die Vollstreckung seines eigenen Todesurteils. Im hohen Norden Norwegens hofft er seiner in Oslo ausgesprochenen Hinrichtung entgehen zu können.
Im Zentrum der Handlung steht – wie im Vorgängerband „Blood on Snow – Der Autrag“ – Ulfs kräftezehrende Beziehung zum weiblichen Geschlecht. Denn er verliebt sich in die streng gläubige Lea Sara, die ihn bei der Reinigung der Kirche eben dort schlafend auffindet. In ihrer Naivität steht sie Ulf in nichts nach. Aus diesem Grund gibt sie ihm völlig zweifelsfrei die Flinte ihres Mannes, damit er erste Schießübungen in der Jagdhütte inmitten der Finnmark absolvieren kann. Man benötigt kein sonderlich ausgeprägtes zwischenmenschliches Gespür um zu bemerken, dass die beiden sich annähern werden. Doch die Beschreibung der offensichtlichen Einfältigkeit ist die Kunst der konsequenten Ausarbeitung der Charakterzüge des Protagonisten. Das ist es auch, das dem Leser dieser unfähigen Drogenhändler und Kleinkriminelle so sympathisch werden lässt.

Neben der Liebesgeschichte durchzieht „Das Versteck“ auch den Zwiespalt mit dem Glauben und mit den inneren Geistern, die jeden von uns immer wieder auf die Probe stellen und einschneidende Entscheidungen von uns fordern. Gleichermaßen, wie zu treffende Entscheidungen auf dem Lebensweg eines Menschen, verhält es sich mit der Gläubigkeit. „Die Vernunft wohnt im Kopf, der Glaube im Herzen. Das sind nicht immer gute Nachbarn.“ Denn egal ob wir meinen zu wissen oder denken zu glauben, müssen wir uns doch auf beiden Wegen zu etwas bekennen.
Am Ende des Tages brauchen wir uns um unseren Protagonisten nicht sorgen. Obwohl das Leben ihn immer wieder in Erklärungsnot bringt schiebt sich im letzten Moment das Schicksal ein und liefert ihm eine plausible Geschichte. Wir können sogar etwas von ihm lernen:
Egal wie oft du scheiterst, solltest du nicht liegen bleiben, sondern aufstehen und weitermachen!

Jo Nesbø
Blood on Snow – Das Versteck
ISBN-13 9783550080784