Lesebericht zu „Das Geheimnis der Grays“ von Anne Meredith

Das Geheimnis der Grays_Anne Meredith_Rezensiert von Oliver Steinhäuser_Buch_Blog_LiteraturNicht mehr lange, dann steht Weihnachten wieder vor der Tür. Es gestaltet sich nicht immer einfach, allen familiären Verpflichtungen mit der nötigen Gelassenheit entgegenzutreten.
Allen bleibt zu hoffen, dass uns kein ebenso tragisches Ende, wie den Grays widerfährt, deren Vater am Weihnachtsmorgen tot aufgefunden wird. Erschlagen von einem seiner eigenen Kinder.Unverhofft trifft am Weihnachtsmorgen die Todesnachricht seine Kinder wie ein Schlag ins Gesicht. Sind alle doch gestern extra angereist, um dem Alten etwas Geld aus den Rippen zu leiern. Missgünstig beäugen sich die sechs Geschwister, suchen unter ihresgleichen nach dem Täter. Nach dem, der den Vater getötet und damit die Hoffnung auf finanzielle Erlösung ausgelöscht hat.

Nur eines der Kinder, Hildebrand, kennt den genauen Tathergang, war er es doch, der den Briefbeschwerer dem Vater im Zorn gegen die Schläfe geschlagen und Beweise manipuliert hat. Auch er sucht einen Schuldigen, der ihn vor der Enttarnung und dem Gang zum Galgen bewahrt.

Damit sich der Leser ein Bild von der Familie machen kann, werden alle Familienmitglieder und das Familienoberhaupt Adrian Gray im ersten Kapitel nacheinander vorgestellt. Diese Protagonistenliste erinnert an einen Vorabdruck für ein Theaterstück und ist den Lesern später dienlich. In dieser ersten Personenübersicht erfahren wir, welches Motiv die Kinder Adrian Grays antreibt, auch in diesem Jahr wieder der Einladung des Vaters zu folgen. Wohl ist es dabei keinem der Abkömmlinge. Denn alle benötigen wieder einmal eine Finanzspritze. Diese Hoffnung ist gleichzeitig alleiniger Grund, dem Vater und seinen eigenen Geschwistern zu begegnen.
In seinem Schwager Eustace findet der schuldige Hildebrand den perfekten Sündenbock. Jeder weiß um seine windigen Geschäfte, in dem auch der Vater seine Aktien hält. Dank seines Talents für das Nachahmen von Hand- und Unterschriften, gelingt ihm ein glaubhaft ausgefüllter Scheck des Vaters an Eustace. Den Scheck verbrennt er, den Kontrollabriss aber belässt er im Scheckheft. Dass sein Schwager mit alldem nichts zu tun hat und alles abstreiten wird, stört Hildebrand nicht weiter. Denn er wiederum weiß, dass seine Geschwister zwar auch ihn verdächtigen, er mit seinem gefälschten Beweis jedoch den größten Groll auf seinen Schwager Eustace lenkt.

Nach einem Viertel der Geschichte steht bereits fest, wer der Mörder ist: Das Geheimnis der Grays dreht sich demnach weniger um die Enttarnung eines Mörders, sondern konzentriert sich auf das Innenleben des schuldigen Protagonisten Hildebrand. Dem Leser offenbart er nämlich schnell, dass er der Täter ist und lässt ihn auch an der Tat teilhaben. Das wahre Geheimnis hinter seiner Tat liegt in seinen Gedanken, seinen Ängsten und Hoffnungen. Dem Leser wird dies Stück für Stück klarer. Der Originaltitel „Portrait of a Murderer“ verdeutlicht, dass die Geschichte kein klassischer Krimi der Sorte „whodunit“ ist. Der Leser lässt sich daher weniger auf eine polizeiliche Verfolgung, sondern das Innenleben eines Mörders, mit all seinen Gefühlen ein.


Das Geheimnis der Grays wird dominiert vom innerlich ausgefochtenen Zwiespalt seiner Protagonisten.


Das letzte Geheimnis des Hildebrand Gray liegt in der Beurteilung seiner Selbst durch den Leser.
Ist er ihm ans Herz gewachsen, versteht oder verabscheut man ihn gar?
Darüber wird hier nichts geschrieben.
Das ist eure Entscheidung!

Anne Meredith
Das Geheimnis der Grays
ISBN: 978-3-608-96299-4

Lesebericht zu „Das Eis“ von Laline Paull

Das Eis_Laline Paull_Blog_Oliver Steinhäuser_RezensionSean Cawson ist ein wirklich reicher Mann geworden. Zu verdanken hat er dies seiner größten Liebe: Die Arktis.
Die Besessenheit vom ewigen Eis, seiner Unberührtheit und die daraus resultierenden Möglichkeit großer Entdeckungen ziehen ihn seit dem Tag, an dem er sich seinen unbekannten Vater als Polarforscher vorstellt, an. Sean kommt aus der unteren Gesellschaftsschicht, schafft durch seine starke Willenskraft den Eintritt in die studentische Gesellschaft der verschollenen Polarforscher und lernt darüber den Investor und seinen späteren Mentor Joe Kingsmith kennen. Ihm verdankt er seine erste Reise in die Arktis.
Doch eins nach dem anderen. Zuerst sitzt Sean Cawson desorientiert, traumatisiert und  verzweifelt in der gerichtlichen Untersuchung zur Tragödie auf Spitzbergen in der Arktis, bei dem sein bester Freund Tom das Leben ließ und er selbst dem Tod nur knapp entkam.

Mit der Verbindung zum Geschäftsmann Joe Kingsmith begann für Sean die Erfüllung seiner Wünsche. Kingsmith ist es, der Sean die finanziellen Mittel zur Expedition in die unerforschte Arktis zur Verfügung stellt. Informationen zur Reise sind seine Gegenleistung. Sean wird zum Informant und Entdecker, liefert damit Wissen, das sein Mentor nutzt, um es durch Spekulation zu monetarisieren. Gelder fließen und sorgen auch bei Sean für den finanziellen Aufstieg. Und plötzlich steht für ihn ein historischer Moment an: Spitzbergen in der Arktis steht zum Verkauf. Und er weiß, dass er dieses Grundstück haben muss. Nicht nur aus Verliebtheit in die unglaubliche Natur, sondern weil er weiß, dass jeder andere Interessent dieses Land weniger naturbewusst nutzen wird als er. Aus diesem Grund holt er seinen Freund und Naturaktivist Tom Harding mit ins Boot und erhält zusammen mit ihm und einem Konsortium mit Joe Kingsmith und zwei weiteren den Zuschlag.

Der Tag, an dem das gesamte Investorenteam zum ersten Mal und gemeinsam ihr Land und das darauf errichtete Luxusresort Midgard Lodge besichtigten, kommt es zwischen den beiden Freunden Tom und Sean zu einem Konflikt. Tom entdeckt in der Lodge Umstände, denen er auf keinen Fall zustimmen kann. Doch bevor er dies kundtun kann, kommt es bei der Besichtigung einer Eishöhle zu einem tragischen Unfall, bei dem Tom sein Leben lässt.
Erst der Kalbungsprozess im Eis lässt große Eismassen ins Meer stürzen. Mit ihnen wird nach drei Jahren auch Toms Leichnam wieder freigegeben. Es kommt zu einer gerichtlichen Untersuchung, in der Sean Cawson allen Fragen Antwort stehen muss und der Verzweiflung nahe ist.

Laline Paulls Roman zieht den Leser in eine Welt voller skrupelloser Geschäftsmänner, Investoren und Politikern, die in der Arktis mehr als einen atemberaubenden Ort sehen. Nämlich den Profit, den Standortvorteil und weitere eigennützige Faktoren. Themen wie Klimawandel, Nachhaltigkeit oder Umweltschutz sind diesen mächtigen Parteien egal. Was zählt sind illegale Waffengeschäfte, Korruption und Macht. Sean, der verzweifelte Protagonist, befindet sich irgendwo in einer Grauzone aus Naivität und zu später Erkenntnis. Paull versteht es, den Leser in ein beklemmendes, glaubwürdiges und aufgrund der fortschreitenden Klimaerwärmung nahendes Szenario zu versetzen. Es ist eine Welt, in der das Eis in der ressourcenreichen Arktis durch den Klimawandel zum Großteil geschmolzen ist. Dies eröffnet neue Transitrouten für den Schiffsverkehr und die Regierungen der Anrainerstaaten buhlen ebenso wie mächtige Wirtschaftsunternehmen um eine Positionierung, denn niemand lässt freiwillig einen Standortvorteil ungenutzt.

Laline Paull
Das Eis
ISBN: 978-3-608-50352-4

Lesebericht zu „Unter der Mitternachtssonne“ von Keigo Higashino

Yukiho Nishimoto, die sich später aufgrund einer Adoption im Buch Yukiho Karasawa nennt, Makoto Takamiya und sein Freund Kazunari Shinozuka, Tomohiko Sonomura oder Ryo Kirihara sind nur einige der Namen, die in „Unter der Mitternachtssonne“ eine wichtige Rolle spielen. Da erscheint der Name des Autors – Keigo Higashino – als reine Entspannung zwischen all den japanischen Namen. Doch trotz all dieser exotischen Namen schafft es der Autor auch diesmal wieder, komplexe Handlungen über mehrere Zeitebenen spannend zu erzählen.

Die Ereignisse dieses Romans ziehen sich über 19 Jahre hin. Macht man sich ertmal mit den vielen Erzählsträngen und den 19 relevantesten Personen vertraut, offenbart sich  Keigo Higashinos Thriller als ein Sammelsurium mehrerer Altersgruppen und Gesellschaftsschichten Japans in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Er zeichnet das Bild einer ganzen Epoche.
Es ist die Epoche der massentauglichen Computerspielentwicklung – ohne den Schutz von Copyright – wie wir ihn heute kennen – und der dadurch einsetzenden firmenübergreifenden Piraterie und des Schwarzhandels von Quellcodes. Eine von bahnbrechenden digitalen Entwicklungen geprägte Zeit, die, aufgrund mangelnden Wissens in den zuständigen Unternehmen, von vielen Kriminellen zur eigenen Bereicherung schamlos ausgenutzt wurde.
So auch von Ryo, dem Sohn des ermordeten Pfandleihers Yosuke Kirihara. Verdächtigt wurden damals viele, einen Täter konnte die Polizei nicht liefern. Der Fall bleibt ungeklärt und der Leser begleitet das Leben des damals 12-jährigen Ryo Kirihara, der auf den insgesamt 720 Seiten schließlich 31 Jahr alt wird.

Zunehmend rückt der ungeklärte Mord an dem Pfandleiher in den Hintergrund und andere kriminelle Akteure, Weggefährten und Detektive betreten die Bühne. Unter ihnen entwickelt auch die hübsche Yukiho, Tochter der damaligen Hauptverdächtigen, einen profitablen Geschäftssinn und eröffnet eine Boutique nach der anderen.
Obwohl der Mord bereits verjährt ist, beschäftigt sich der damalige Mordermittler Sasagaki selbst in seinem Ruhestand noch mit diesem Fall. Vor allem die abgebrühte und unberechenbare Yukiho lässt ihm keine Ruhe, vermutet er doch in ihr den Schlüssel, der ihm helfen könnte, endlich die Wahrheit aufzudecken. Erst ein plötzlich verschwundener Detektiv, der auf sie und Ryo angesetzt war, bringt den alten Ermittler allmählich auf eine verheißungsvolle Spur.
So wie Higashino seine Leser immer wieder an bekannte Stellen und Details aus der Vorgeschichte führt, fügt sich auch für den pensionierten Ermittler langsam ein Puzzleteil an das andere.

Für Sasagaki bleibt die hübsche und gewiefte Yukiho der Dreh- und Wendepunkt der Geschichte. Der Blick hinter ihre mystisch düstere Aura bleibt ihm und dem Leser jedoch konstant verwehrt.
Erst als die Witwe des vor 19 Jahren ermordeten Pfandleihers ihr Schweigen bricht, kommt der Ermittler wieder auf eine heiße Spur und Sasagakis privaten Ermittlungen nehmen Fahrt auf, obwohl er weiß, dass sein Tun niemanden mehr rechtskräftig verurteilen kann.

Der letzte Akt ist eine Tragödie. Aber der Leser erfährt durch ihn doch endlich die Motive des damaligen Täters.

Keigo Higashino
Unter der Mitternachtssonne
ISBN: 978-3-608-50348-7

Lesebericht zu „Helvetia 2.0“ von Urs Augstburger

Urs Augsburger_Helvetia 2.0_Rezension_Buchblog_Literatur_Oliver SteinhäuserDie Wasmeier Consulting bedroht die klassischen Medienkanäle der Schweiz. Sie kauft Tageszeitungen, Radiostationen und andere Medienunternehmen auf, um sie von innen heraus neu zu strukturieren. Der Strukturierungsplan „Helvetia 2.0“ soll sie auf die digitale Transformation vorbereiten. Eine solche Veränderung trifft auch den Kult Radio DJ Anders Droka, der mit seiner Abend- und Nachtsendung eines der letzten Urgesteine live übertragener Radiounterhaltung in der Schweiz ist. Ausgerechnet am Abend, als Anders erfährt, dass die Umstrukturierung des Senders durch die Consulting Gruppe seinen bisherigen Job wegrationalisiert, ist er, ohne den Unfallgegner zu kennen, in einen kleinen Verkehrsunfall mit einem der leitenden Mitarbeiter der Consulting Firma verwickelt. Diesem folgt Anders nach dessen Fahrerflucht und wird Zeuge der Ermordung des Mannes. Als die Mörder merken, dass sie von dem DJ beobachtet wurden, nehmen sie seine Verfolgung auf. Zum Glück entkommt er. Als Droka am kommenden Morgen durch die Nachrichten erfährt, dass der getötete Mann verantwortlich für seine Entlassung ist, und dass dieser Selbstmord begangen hätte, wird im klar, dass es kein Zurück in sein altes Leben gibt. Die Lage ist verzwickt, vor allem, da sogar der Lack seines Motorrads am Wagen des Ermordeten hängt. Anders Droka muss untertauchen und recherchieren.

Urs Augstburger manövriert seinen Romanhelden in eine irrwitzige Geschichte habgieriger Consultingfirmen, deren höchste Ziele die Steigerung ihres eigenen Profits sind. Und ausgerechnet Bender, ein alter Schulkamerad Drokas, besetzt eine führende Position in der Wasmeier Consulting. Auch ihn beobachtet Droka dabei, wie er die gleiche Adresse aufsucht, wie der ermordete Kollege Benders. Eine Adresse, die zu einer jungen Frau führt, die auch ihm nicht völlig unbekannt ist. Liegt in der Beziehung zu dieser Dame der Dreh- und Wendepunkt aller Vorkommnisse?
Der Kult Radio DJ fasst einen Entschluss: Er heftet sich an die junge Sängerin und folgt ihr bis nach Saint Tropez. Während dieser Verfolgung erlebt Droka Erinnerungssequenzen aus seiner Jugend, in der er mit seiner Clique, zu der auch Bender gehörte, einen fatalen Fehler gemacht hatte, der einen Jungen das Leben kostete. „Eine gute Idee zur Charakterisierung“, denkt sich der Leser. „Das bietet einen Zugang zur emotionalen Welt der Protagonisten“, überlegt man weiter. Doch das Ausmaß der damaligen Geschichte, das Resultat langwieriger Vertuschung und der inneren Zerrissenheit, ahnt der Leser zu diesem Zeitpunkt keineswegs.

Stattdessen beobachtet er den DJ bei seiner optischen Transformation in die Anonymität, durch die der Kontakt zur jungen Sängerin erst gelingt. Denn auch sie kennt Droka. Gemeinsam kommen sie hinter das perverse Doppelleben der Wasmeier Consulting, die einerseits indirekter Kern politischer Hetze gegen Flüchtlinge betreibt, jedoch gleichzeitig Millionen mit einem flüchtlingsrelevanten Geschäftsmodell scheffelt.

Trotz der unglaublich menschenverachtenden Machenschaften der Wasmeier Consulting sowie der Enthüllung der wahren Geschehnisse aus den Jugendtagen Benders und seiner gemeinsamen Clique mit Droka, entstehen in „Helvetia 2.0“ traumhafte Bilder von Sandstränden und dem abenteuerlichen Leben zweier sich ineinander verliebender Menschen. Momente in denen es zur völligen Ignoranz der Außenwelt kommt. In denen sich Zweisamkeit und Euphorie mit der turbulenten Wirklichkeit die Hand reichen.
Urs Augsburger erweckt unter dem störrigen und wenig greifbaren Titel „Helvetia 2.0“ einen wunderbaren Roman, dem man nur schwer wieder entkommt. Das Buch fesselt durch die unglaubliche Geschichte aus politischen Machenschaften und Geldgier sowie der Verstrickung alter Jugendsünden bis in die Gegenwart hinein. Zusätzlich projiziert Augsburger durch seinen Text unglaubliche Bilder von Sonne, Meer und aufkeimender Liebe.

Urs Augstburger
Helvetia 2.0
ISBN: 978-3-608-50344-9

Lesebericht zu „Wer ist B. Traven?“

B_Traven_Torsten Seifert_Rezension_Buchblog_Oliver SteinhäuserOtto Feige, Ret Marut, Traven Torsvan und Hal Croves. All das sind Pseudonyme eines bis heute in Teilen nicht greifbaren deutschen Autors der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Seinen Wunsch nach Anonymität formulierte er selbst mit den Worten: „Wenn der Mensch in seinen Werken nicht zu erkennen ist, dann ist entweder der Mensch nichts wert oder seine Werke sind nichts wert.“

Torsten Seifert begibt sich in seinem Roman „Wer ist B. Traven“ auf die Suche nach Antworten und schickt seinen Protagonist, den Journalisten Leon Borenstein, auf die Reise nach Mexico. Dort soll er am Filmset zur Verfilmung von B. Travens „Der Schatz der Sierra Madre“ Informationen zur Identität Travens sammeln. Die Tarnung seiner Mission ist der erstmalige Auslandsaufenthalt des Schauspielers Humphrey Bogart, den Leon augenscheinlich journalistisch dokumentieren möchte. Doch anstatt sich unauffällig dem Vertreter B. Travens am Filmset zu nähern, verbringt Leon den Großteil seines Aufenthaltes in Mexico tatsächlich während etlicher Schachpartien mit dem Schauspieler Humphrey Bogart. Als er eines Morgens im Frühstückssaal des Hotels auf die hübsche Maria trifft, verliert der Journalist seinen Auftrag völlig aus den Augen.

Der Ehrgeiz, einem Phantom hinterherzujagen, erscheint Leon deutlich unspektakulärer, als sich mit der attraktiven und reizenden Maria durch den Tag treiben zu lassen. Er vernachlässigt den Auftrag seines Vorgesetzten, dem die Enttarnung B. Travens unter den Nägeln brennt. Er will, dass seine Zeitung durch die Demaskierung des Bestsellerautors Bekanntheit erringt. Doch Leon geht lieber privaten Vergnügungen nach. Als er nach einer aufregenden Nacht mit Maria erwacht, ist nicht nur sein Flirt, sondern auch all seine Rechercheunterlagen zu Traven verschwunden. Warum sabotiert Maria seine Suche?
Erst mit der Veröffentlichung des Kinofilms „Der Schatz der Sierra Madre“, keimt die Erinnerung an Leons Zeit in Mexiko wieder auf. Als ihm ein Brief von Maria zugestellt wird, kehrt er auf die Fährte B. Travens zurück. Denn auch ihr Interesse gilt Traven. Doch im Gegensatz zu den Traven-Anhängern, ist ihr Ziel die Wahrung seiner geheimen Identität.
Wie es der Zufall will, entsendet Leons Chef ihn für Recherchen nach Wien. Die Stadt, von der Maria in ihrem Brief behauptet, dass er dort weitere Informationen zu Traven fände. Die Stadt, die seine Euphorie nach B. Traven entfacht und dafür sorgt, dass erneut nach Mexico reist und sich an die Versen des persönlichen Vertreters von B. Traven heftet: Hal Croves. Dass Leon Borenstein und Hal Croves auf dieser Mexico Reise aufeinandertreffen und durch einen Unfall ins Gespräch kommen verrät der Buch- und Medienblog noch. Die Inhalte des Gesprächs während dieser offensichtlich ausweglosen Situation behalte ich aber für mich.

Wer ist B. Traven?
Torsten Seifert findet in seinem Roman einen Weg, der zielsicher auf eine Person hindeutet: Hal Croves, den Berater und Vertreter B. Travens. Er kennt alle Romandetails detailliert, delegiert die Anforderungen Travens so präzise wie kein anderer. Wer so viel über einen anderen Menschen und seine literarisch-künstlerische Welt weiß, macht sich verdächtig, eben dieser Mensch selbst zu sein.
Was aber macht Maria in Seiferts Roman? Warum verhindert sie die Enttarnung Travens durch das Verbreiten von Falschmeldungen über B. Traven?

Es ist die Sprunghaftigkeit Leon Borensteins, durch die der Roman so authentisch wird. Der junge Journalist kommt den Anweisungen seines Vorgesetzten anfangs nur zögerlich und leidenschaftslos nach; das weckt Empathie. Als er immer rasantere Details über Traven erfährt, erwacht Leons eigener Tatendrang und er bricht auf, um selbst das Geheimnis um den Bestsellerautor zu lüften. Mit einem Mal wird aus Aufdiktiertem Leidenschaft.

Torsten Seifert
Wer ist B. Traven?
ISBN: 978-3-608-50347-0

Lesebericht zu „Die Fährte des Wolfes“ von Kallentoft & Lutteman

Die Fährte des Wolfes_Klett-Cotta_Rezension_Oliver Steinhäuser_BuchblogDer brutale und symbolträchtige Mord an vier asiatischen Frauen in dem thailändischen Massagesalon Sawattdii ruft eine Sondereinheit für Gewaltverbrechen der Stockholmer Kriminalpolizei auf den Plan. Eine Truppe aus Ausnahmetalenten, deren Kernkompetenzen sich zu einem fast perfekten Zusammenspiel ergänzen. Die Kommissare vermuten zunächst einen sexuellen Hintergrund der Tat. Dann wird jedoch die Betreiberin des Massagesalons mit abgefressenen Beinstumpfen vor einem Stockholmer Krankenhaus aus einem Fahrzeug geworfen. Sie lebt, aber ihr Körper kämpft mit einer gefährlichen Infektion, die das Anfressen ihrer Beine offenkundig durch Wölfe verursacht hat. Zack Herry und seine Partnerin Deniz stehen vor einer komplizierten Ermittlung, bei der sie auf Rassismus, Frauenhass, Prostitution und Zuhälterei sowie Bandenrivalität treffen.

Schnell kommen die Ermittler darauf, dass die Massagesalons auch sexuelle Dienste anbieten. Ein klares Indiz dafür ist das Fehlen einer Buddha-Statue im Fenster ‑ ein klares Zeichen für: Wir verkaufen alles.
Während Zack und Deniz draußen ermitteln, sitzt die Computernerd Sirpa in ihrem Büro und forscht mit Hilfe der im Salon Sawattdii sichergestellten E-Mailadressen im Internet nach verräterischen Anhaltspunkten. Dabei stößt sie auf ausländerfeindliche Blogs und Foren zur Misshandlung von Frauen. Aufgrund hetzender Onlinebeiträge und E-Mails gelangen zwei Männer und ein Motorradclub in den Fokus der Ermittlungen. Zack und Deniz gehen den beiden Spuren nach und werden beim Betreten des Klubgeländes mit einem infernalen Kugelhagel empfangen. Wer dermaßen brutal auf die Beamten losgeht, hat definitiv etwas mit den Morden zu tun, urteilen die Polizisten. Allerdings registrieren die Ermittler zu spät, welche Panik die Mitglieder des Klubs bei der Gegenwehr antreibt. Eine Kopflosigkeit, die nicht der Angst vor dem Gesetz geschuldet ist, sondern eine irrsinnige Angst ums Überleben ist. Doch wer lässt die Männer des Motorradklubs so straucheln?

Neben der Aufklärung des Falls erfahren wir spannende Details über die Herkunft Zack Herrys. Wie seine Familie durch den Tod seiner Mutter, während eines Polizeieinsatzes, auseinanderbrach und er den Entschluss fasste, selbst Polizist zu werden und in die Fußstapfen seiner Mutter zu treten. Der Leser kann Zacks Antrieb und Ehrgeiz perfekt nachvollziehen, weil dieser sich in kurzen Sequenzen während des Plots auf seine Herkunft und Lebensumstände besinnt. Aus dieser Zeit kennt der 27-jährige Polizist auch seinen besten Freund Abdula, der sein Leben auf der Seite, die dem Gesetz gegenüberliegt, bestreitet. Die beiden Männer bieten einen sympathischen Gegensatz und können vor allem für kommende Episoden ein wichtiges Bindeglied zweier Gesellschaftsideale ergeben.
Die zerrütteten Verhältnisse, aus denen Zack wie auch Deniz stammen, macht sie zu einem starken Team mit ausnahmsloser Loyalität und gegenseitigem Schutz. Sie kämpfen beide den Kampf gegen Gesetzesbrecher. Dabei fechten sie jedoch auch einen inneren Kampf aus. Zack gegen die Ungerechtigkeit bei der Aufklärung des Todes seiner Mutter, Deniz gegen die ihr widerfahrene Skrupellosigkeit und Vorverurteilung. Beide geben ihr Bestes beim Versuch, Gerechtigkeit und Objektivität bei ihrer Ermittlung zu wahren. Sie merken jedoch immer wieder, dass auch sie dem Sog aus lähmenden Rückschlägen und Vorverurteilungen nicht vollkommen gewachsen sind.

Mons Kallentoft & Markus Lutteman
Die Fährte des Wolfes
ISBN: 978-3-608-50371-5

 

Lesebericht zu „In jedem Augenblick unseres Lebens“ von Tom Malmquist

9783608983128_Tom Malmquist_Rezension_Besprechung_In jedem Augenblick unseres Lebens_Oliver Steinhäuser_Blog_Buch_LiteraturDie Geburt eines Kindes ist der wohl aufregendste und glücklichste Moment eines sich liebenden Paares. Ein Anlass, zu dem man das Überqueren der Türschwelle eines Krankenhauses nicht mit Krankheit und Verlust, sondern mit der Entstehung neuen Lebens verbindet. Leider geht das nicht immer so einfach,  und Tom muss dabei eine traurige Erfahrung machen. Das Schicksal hat für ihn keine traditionelle „Vater-Mutter-Kind-Familie“ vorgesehen, denn bei seiner Partnerin Karin wird im Verlauf der Schwangerschaft Leukämie diagnostiziert. Dank eines ungeplanten und dann auch noch frühen Kaiserschnitts öffnet sich für seine Tochter Livia das Tor zur Welt, während die nicht heilbare Krankheit seiner Freundin Karin innerhalb kürzester Zeit die Tür des Vertrauten und Geborgenen für immer zuschlägt.

Mit Luftnot liefert Tom Karin im Krankenhaus ein. Die zerschmetternde Diagnose lautet Leukämie in einem bereits weit vorangeschrittenen Stadium. Bevor jedoch die Therapie begonnen werden kann, muss ihr Kind per Kaiserschnitt entbunden werden. Karins letzte Entscheidung, bevor Medikamente und fortschreitender Zerfall sie von ihrem Bewusstsein trennen lautet: Livia. Der Name eines Kindes, das sie selbst nur aufgrund pränataler Kindsbewegungen in ihrem Körper kennt.
Der Leser ist nach nur wenigen Seiten in einer traurigen und belastenden Geschichte gefangen. Er lernt den Vater Tom in einer auch ihm unbekannten Umgebung kennen. Er hetzt durch die Gebäude und Gänge des Krankenhauses, zwischen der Frühgeborenen-Station und der Thorax-Intensivstation. Das Krankenhaus verlässt Tom nur mit seiner Tochter.
Zur Verarbeitung des Geschehenen und zur Erinnerung an eine erfüllte Vergangenheit mit seiner Freundin, schreibt Tom Malmquist im Namen seines Protagonisten Tom Malmquist ein Buch. Gegenwart und Erinnerung finden darin einen gleichrangigen Stellenwert. Erinnerungen an das Verliebt sein, an die Freuden und den Zweifeln. „In jedem Augenblick unseres Lebens“ führt uns die Macht des Schicksals vor Augen und offenbart, dass wir trotz aller Umstände zu jeden Moment unserer Existenz leben.

Das konsequente Auslassen von Anführungszeichen der wörtlichen Rede verstärkt die Machtlosigkeit während den tragischen Ereignissen. Ohne sie drohen dem Leser der Verlust der Struktur und das Verschwimmen der Zeilen. Worte und Situationen gehen ineinander über, drohen dem Leser zu entgleiten. Sie verschwimmen im Kummer, ja Ohnmacht, und sind für Tom kaum in Worte zu fassen. Malmquist schreibt ein Buch, in dem das Überspringen einzelner Zeilen unverzichtbar scheint. Denn nur wer im kontinuierlichen Fluss der Dialoge gelegentlich den Überblick verliert, hat eine Ahnung über die Überforderung des Protagonisten und Vaters.
Zwischen all den Hürden und Anstrengungen, die Tom zu bewältigen hat, erfährt der Leser eine Menge über Säuglinge – Informationen, mit denen sich nur Eltern identifizieren können: Beispielsweise die korrekte Menge an Vitamin D, den Moro-Reflex oder Kindspech. Oder den besten Zeitpunkt zur Vaterschaftsanerkennung und der Einwilligung der Mutter zum geteilten Sorgerecht – in seinem Fall leider zu spät, denn die Kindsmutter ist tot und das erschwert den Vorgang ungemein. „Was mich bei diesem Zirkus am meisten verletzt, ist die Tatsache, dass eine simple Heiratsurkunde, die man schon unterschreiben kann, wenn man sich nur eine Viertelstunde aus der Kneipe kennt, mehr zählt, als dass man zehn Jahre zusammen gelebt hat, ist eine Heiratsurkunde denn wichtiger als die Geschichte einer Familie?“ (S. 167)
Eine Bürokratie, die kaum auszuhalten ist!

Falsch liegt, wer hinter „In jeden Augenblick unseres Lebens“ einen tränentreibenden Trauerroman vermutet, denn dem Leser bleibt ebenso wenig Zeit zur Trauer, wie dem Protagonisten Tom. Wir sind zusammen mit ihm und der Bewältigung seiner Probleme so beschäftigt, dass wir dem Überlebenstrieb mehr folgen als uns in Larmoyanz zu ergeben.

Tom Malmquist
In jedem Augenblick unseres Lebens
978-3-608-98312-8

Lesebericht zu „Sie werden dich finden“ von James Rayburn (alias Roger Smith)

Sie werden dich finden_Roger Smith_James Rayburn_Rezension_Blog_Oliver SteinhaeuserWhistleblower ist ein starkes Wort, auch wenn es sich so weich spricht. Doch auch wer Geheimnisse anderen Personen zuflüstert ist ein Verräter. Und Verrat ist gar nicht mehr weich und flüsternd. Verrat ist hart und bricht Vertrauen. Spätestens seit den Veröffentlichungen Edward Snowdens, steht der Begriff des Whistleblowers beinahe als festes Synonym für eine ganze Geschichte und der Historie zur Abhörung von Regierungen durch die National Security Agency. Ein komplizierter Begriff, da er sofort Erwartungen beim Leser auslöst.

Eine solche Verräterin ist auch Kate Swift, die in „Sie werden dich finden“ durch ihr Eingreifen und Stoppen eines Attentats an der Schule ihrer Tochter wieder in den Fokus ihres ehemaligen Arbeitgebers, der CIA, gerät. Jahrelang bewahrte sie sich ein getarntes Leben unterhalb des Radars des Auslandsgeheimdienstes der Vereinigten Staaten. Zum Schutz ihrer Tochter beendet sie den terroristischen Angriff auf die Schule. Die folgende Medienberichterstattung zu ihrem heldenhaften Eingreifen hat zur Folge, dass ihre alten Widersacher erneut auf den Plan gerufen werden und sie mit ihrer Tochter erneut untertauchen muss. Allen voran Lucien Benway, der aufgrund Kates Enthüllungen vor einigen Jahren unehrenwürdig seinen Posten räumen musste. Durch die Flucht nach Thailand erhofft sie sich Hilfe von Harry Hook, einem ehemaligen, nun in Thailand zurückgezogen lebenden Agent. Sie hofft auch, dass er ihr weitere Antworten zu offenen Fragen ihres Lebens liefern kann, denn sie beide verbindet mehr, als Hook vermutet.
Mit seiner Hilfe schafft es Kate tatsächlich als „Tote“ öffentlich von der Bildfläche zu verschwinden. Hook lässt die Absturzstelle eines Flugunglücks dementsprechend präparieren. Doch nicht jeder traut dieser Geschichte.

So kommt ein Parallelstrang ins Spiel. Der des ausgeschiedenen Agenten Lucien Benway. Auch ihm wird seit dem Flugzeugabsturz mehr mediale Aufmerksamkeit zuteil als ihm lieb ist. Die Presse unterstellt ihm berechtigte Interessen an dem Flugzeugabsturz, dass er den Tod seiner Widersacherin Kate Swift gar selbst eingeleitet hat. All diese einem extrovertierten Journalisten zugespielten Informationen sind wiederum das Werk eines weiteren Akteurs, der Kate um jeden Preis vor Benway schützen möchte und deshalb im Hintergrund seine Fäden spinnt.

Erst beim Verfassen der Rezension zu „Sie werden dich finden“ wird dem Rezensent bewusst, über wie viele Personen und ihre Lebensgeschichten in dem Buch erzählt wird. Das ist ein positives Zeichen, da es die unbeschwerte Verarbeitung vieler wichtiger Zusammenhänge bedeutet. Die Diversität der Schicksale macht das Buch zu einem spannenden Thriller, dessen Zusammenhänge aufregend komplex sind, dabei jedoch gleichzeitig unbeschwert nachvollziehbar bleiben. Es ist eine Freude, die Ereignisse aus der Außensicht zu beobachten und zu beobachten, welche Eigendynamik Netzwerke erzeugen, welche Synergieeffekte sich herauskristallisieren und welche Auswirkungen das Sähen geplanter Fehlinformationen haben können. All das sind Fakten, die der spionageähnlichen Aura des Buches gut tun und dem Leser vor Augen führen, welch enorme Macht dritte haben, die man für eine Sache arbeiten lässt. Dabei verliert der Leser sich nicht in Details.
Da man vor allem Hook, Kate Swift und ihre Tochter liebgewinnt, vergisst man den Titel des Thrillers leider zu schnell: „Sie werden dich finden“. Ein Titel, der den Ausgang bereits ziemlich deutlich trägt und von dem man viel zu abrupt eingeholt wird.

James Rayburn (alias Roger Smith)
Sie werden dich finden
ISBN: 978-3-608-50378-4

Ermittlungsbericht zu „Es klingelte an der Tür“ von Rex Stout

Es klingelte an der Tür_Rex Stout_Klassiker_Buchblog_Oliver Steinhäuser_Blog_Klett-CottaAm vergangenen Samstag, den 11. 03.2017, erschien „Es klingelte an der Tür“ von Rex Stout
Morgen (16.03.2017) findet um 19:30 eine Lesung im Gartencenter Kriesten in Leonberg statt. Thomas Klingenmeier, seit 1988 Krimikolumnist bei der Stuttgarter Zeitung, liest aus dem Werk.

Kein Wunder, dass Mrs. Bruner vom FBI überwacht wird. Wer tausende Exemplare eines Enthüllungsbuchs über diese mächtige staatliche Institution kauft und es landesweit dritten schickt, verhält sich nicht gerade staatsloyal und unterwürfig. Nun steht mir diese exzentrische Dame gegenüber und beauftragt mich mit der Unterbindung dieser Überwachung. Allerdings ist es eine ziemlich heikle Sache gegen das FBI vorzugehen. Doch genau damit beauftragt mich meine Klientin, Mrs. Bruner. In der Annahme der Unmöglichkeit einer Erarbeitung eines Planes zum Unterbinden der Überwachungstätigkeiten des FBI, vertröste ich sie skeptisch. An eine Erfüllung dieses Auftrags glaube ich zunächst nicht. Bis plötzlich der Polizeichef des Morddezernats aufschlägt.

Eben dieser unterbreitet meinem Assistent Archie Goodwin und mir, dass das Federal Bureau of Investigation mit dem Gedanken spiele, uns die Ermittlerlizenz als Detektive zu entziehen. Dass der Mordermittler zeitgleich einen ungelösten Mordfall auf dem Schreibtisch liegen hat und davon ausgeht, dass Agenten des FBI diesen verübt haben, scheint eine „Win-Win-Situation“ für mich, den Privatermittler Nero Wolfe sowie den leitenden Ermittler der Mordkommission, Mr. Cramer, zu sein.
Damit genug. Alles weitere erfahren Sie in dem Bericht meines Assistenten Archie Goodwin:
Das FBI ist geradezu unantastbar, kaum ernsthaft angreifbar. Mrs. Bruners Fall anzunehmen wäre Wahnsinn, da das Durchsetzen ihres Anliegens aussichtslos scheint. Doch was der Mordermittler Mr. Cramer mir, Archie Goodwin, im Vertrauen erzählt, passt geradezu perfekt zu unserem Auftrag. Es gibt für seinen ungelösten Mordfall einen Zeugen, der drei FBI-Agenten aus der Wohnung des Mordopfers kommen sah. Cramer ist davon überzeugt, dass das kein Zufall ist und möchte, dass Nero Wolfe und ich dem FBI den Mord nachweisen. Unantastbar bleibt die staatliche Institution allerdings noch immer.
Wolfe und ich glauben nicht, dass Agenten derart dilettantisch vorgegangen wären. Es muss einen anderen Mörder geben, jedoch ebenfalls berechtigte Interessen des FBI. Wir entschieden uns, zum Schein, gegen das FBI zu ermitteln. Im Stillen konzentriertenen wir uns allerdings auf die Entlarvung des tatsächlichen Mörders. Anders konnten wir es nicht bewerkstelligten, da wir seit Mrs. Bruners Besuch ebenfalls auf Schritt und Tritt überwacht wurden. Mehr verrate ich nicht.

rex-stout_es-klingelte-an-der-tuerMehr Informationen bekommen Sie auch vom Buch- und Medienblog nicht, außer, dass „Es klingelte an der Tür“ eine wunderbar erzählte Detektivgeschichte ist, dessen Seiten man mit Bedacht umblättert, weil man weiß, dass sie sich Blatt für Blatt dem Ende einer guten Unterhaltung nähert. Der Leser kommt um zwischenzeitliches Schmunzeln nicht umher. Etwa wenn Goodwin und Wolfe wieder einmal in den Absurditäten einer aussagelosen Kommunikation stecken, die keine klaren Schlüsse zulässt, weil sie von einer lückenlosen Überwachung des FBI ausgehen und ihre echten Erkenntnisse nicht verraten wollen.
Außerdem thematisiert Rex Stout bereits damals den Zwiespalt zwischen „Sicherheit vor Freiheit“. Diese Frage hat auch in unserer heutigen Gesellschaft, in der einige Personen(gruppen) inmitten einer diffusen Bedrohung als Gefahrenpotenzial wahrgenommen werden, nicht an Virulenz verloren.

Rex Stout
Es klingelte an der Tür
ISBN: 978-3-608-98111-7  (Leinenband)

Rezension zu „Der Gott der Simpsons“ von Jeff Lenburg

der-gott-der-simpsons_buchblog_oliver-steinhaeuserGelb, frech und ungezogen. So kennen und definieren viele Fans die Simpsons, die Kultserie des Cartoonisten Matt Groening. Doch bevor die chaotische U.S.-Familie um Homer Simpson in die Fernsehgeschichte einging, mussten viele glückliche Zufälle eintreffen, wichtige Bekanntschaften geschlossen und Mitstreiter gefunden werden.

„Der Gott der Simpsons“ beschreibt autobiografisch den Bezug Matt Groenings zum Zeichnen und Texten, den er von seinem Vater in die Wiege gelegt bekommen hatte. Der junge Matt Groening fällt erstmals mit acht Jahren auf, als er an einem Schreibwettbewerb teilnimmt. Mit seiner abstrusen und verstörenden Geschichte fällt er auf und gewinnt den Wettbewerb. Bereits hier wird dem Leser der Charakter des Simpsons-Schöpfers deutlich: Ein Mensch abseits traditioneller Konventionen, der die Schule als einen repressiven Ort verachtet.

Erste Erfolge erringt Groening mit seinen „Life in Hell“-Strips im Wochenmagazin „Los Angeles Reader“. Sukzessive erfolgen weitere Publikationen der Strips in weiteren alternativen Wochenzeitungen und bieten ihm ein Forum zum Ausprobieren. Schon zu diesem Zeitpunkt dienen die bunten Bilder zur Verarbeitung seiner eigenen Gefühle, die er mit Hilfe der Bilder weniger schmerzvoll preisgeben kann.
Eines Tages schafft er den Sprung zum Fernsehen, denn seine „Life in Hell“-Comics sollen die „Ullman Show“ mit kurzen animierten Sketchen auflockern. Dazu soll er die Charaktere jedoch anpassen. In seinen Augen ein Unding. Kurzerhand schnappt er sich einen Stift und skizziert, was er als ungehobelte, hässliche und schlecht gekleidete Familie ansieht. Das ist die Geburtsstunde der Simpsons.

Jeff Lenburgs Biografie Matt Groenings erzählt dem Leser die epochal wichtigen Kreuzungen, Entscheidungen und Weichen Groenings auf seinem Weg zum Kultzeichner. Dabei legt Lenburg vor allem auf den Weg zum Erfolg viel Wert und setzt nicht erst beim Entstehen „Der Simpsons“ an. Das ermöglicht es, den Menschen hinter der genialen Idee zu verstehen, dessen Leben und Lebensstil sich mit einsetzendem Erfolg komplett wandelte.
Aus der Garage, die ihm einst als Cartoon-Werkstatt diente, ging es direkt in das eigene Büro. Inklusive Entscheidungsgewalt. Die Simpsons zeichnen Groenings unermüdliche Anpassungen jeder einzelnen Folge während ihrer Produktion aus. Nur so schaffte er eine Sitcom deren Humor und Sarkasmus sich auf verschiedene Ebenen miteinander verbinden. Ein Humor, der sich dem Alter des Konsumenten anzupassen scheint. Schaut man sich als Erwachsener die Folgen an, über die man sich in seiner eigenen Jugend erfreute, stellt man nun fest, dass sie noch viel mehr Botschaften enthalten und einen echten Tiefgang haben. „Alle mögen sie Slapstick, für die Pseudointellektuellen gibt es andere schöne Sachen, und die derben Späße gefallen wiederum meinen Kindern am besten“, sagt Groening selbst.

Jeff Lenburg
Der Gott der Simpsons
ISBN: 978-3-608-50227-5