Lesebericht zu „Narbenkind“ von Erik Axl Sund – Band 2 der Victoria Bergman Trilogie

142_48118_148170_xlWährend im ersten Band der Victoria Bergman Trilogie („Krähenmädchen“) die ermordeten Jungen im Fokus der Ermittlungen stehen, dreht sich „Narbenkind“ hauptsächlich um die Ermordung eines ranghohen Geschäftsmannes, der auf bestialische Weise getötet und zerteilt wurde. Ebenso wie im Auftakt der Trilogie, bleibt es auch in „Narbenkind“ nicht bei diesem einen Mord.
Um die weiteren Ermordungen flicht sich ein Netz, das sich zunehmend um Victoria Bergman legt und klare Verbindungen zu ihrer Person enthält.
Da die Mordermittlungen zu den vier Jungen aus Band eins vorerst auf Eis liegen, müssen sich die Ermittler Jeanette Kihlberg und Jens Hurtig zunächst um die aktuellen Fälle bemühen, stellen jedoch immer wieder heimliche Ermittlungen zu den missbrauchten Kindern an. Während dem Leser vermeintlich immer deutlicher wird, wie die Fälle in Verbindung stehen, verzeichnet die Polizei weiterhin kaum Ermittlungserfolge.

„Narbenkind“ ist das, was ich als absolut logische Fortführung des Werkes „Krähenmädchen“ bezeichne. Erneut steht die Ergründung dissoziativer Störungen im Vordergrund.
Die durch eine geschützte Identität verborgene Victoria Bergman gibt den Ermittlern ein Rätsel auf, während dem Rezipienten bereits in Band eins der Trilogie die Analogie dieser Person offengelegt wurde. Man kann – da die Reihe nicht auf nervenzerreißende Spannung, sondern auf Durchdringung von Wahrnehmungs- und Gedächtnisinhalten ausgelegt ist – nur erahnen, unter welcher Spannung die beiden Ermittler Kihlberg und Hurtig nach derart erfolglosen Ermittlungsepisoden stehen müssen.

Handlungsschwerpunkt des Buches ist die Suche nach der „Rachemörderin“, die allem Anschein nach etwas mit Victoria Bergman verbindet. Während der Leser im Verlauf zunehmend Victoria Bergman als ebendiese Rachemörderin im Verdacht hat, erscheint schemenhaft eine weitere Person, die mit ihr eine besonders ausgeprägte Gemeinsamkeit hat. Ist dieses Mädchen möglicherweise die Rächerin aller früheren Vergehen an Victoria?
Mit „Narbenkind“ begibt man sich auf eine Gratwanderung zwischen realem Geschehen, schnellen Perspektivwechseln und den Gedankengängen multipler Persönlichkeiten.

Während die Psychologin Sofia Zetterlund weiß, dass sich ihre Persönlichkeit zu gleichen Teilen aus Masochismus und Dissoziation zusammensetzt, sie sich selbst quält und die Eigenschaften ihres Quälgeistes annimmt, um dadurch immer wieder ihre eigene Hölle zu durchleben, fragt man sich:
Wer in diesem Spiel ist echt und wer ist nur ein fantasievoller Streich, um genau dieser Hölle wieder zu entfliehen?

Erik Axl Sund
Narbenkind
Paperback, Klappenbroschur, 512 Seiten
ISBN: 978-3-442-48118-7

Lesebericht zu „Krähenmädchen“ von Erik Axl Sund – Band 1 der Victoria Bergman Trilogie

Krähenmädchen_Victoria Bergman TrilogieBevorzugt werfe ich zu Beginn meiner Leseberichte Fragen zu den zentralen Themen eines Werkes auf. Das Krähenmädchen nimmt mir heute dabei die Arbeit ab und möchte wissen:
Wie viel Leid kann ein Mensch verkraften, ehe er selbst zum Monster wird?

Zum Auftakt der Victoria Bergman Trilogie durch das „Krähenmädchen“ wird der Leser mit einer Flut an Abscheulichkeiten wie Kindesentführung, -misshandlung und Mord konfrontiert. Polizistin Jeanette Kihlberg übernimmt zusammen mit ihrem Kollegen Jens Hurtig die laufende Ermittlung im Fall des in einem Park ermordet aufgefundenen Jungen. Allerdings bleibt es nicht bei dieser einen Leiche. Die Parallelen, die die misshandelten und getöteten Jungen aufweisen sind unverkennbar, und doch bewegen sich die Ermittler auf falschen Fährten und bleiben weitestgehend ergebnislos.

Zweifellos hochinteressant ist in „Krähenmädchen“ die durch Jeanette Kihlberg zu den Ermittlungen hinzugezogene Psychologin Sofia Zetterlund und deren Patientin Victoria Bergman. Während der Plot sich anfangs in enorm viele verwirrende Handlungsstränge gliedert, die das Geschehen aus verschiedenen Perspektiven und Zeitebenen betrachten, ergeben sich für den Leser kaum verwertbare Verbindungen, um sich ein Gesamtbild zusammenzusetzen.
Im Verlauf des Buches erhält man schnell das Gefühl, dass die Psychologin Zetterlund und deren Patientin Bergman etwas verbindet. Gerade das stetige Ineinandergreifen der eigenen Vermutungen setzen beim Rezipient eine bittere Erkenntnis darüber zusammen, welch grausames Schicksal die beiden Frauen letzten Endes begleitet.

Das Duo Erik Axel Sund schreibt einen Thriller, der meiner Ansicht nach besonders durch seine psychologischen Aspekte begeistert. Das bedeutet allerdings, dass der Leser gewillt sein muss, sich durch verworrene Gedankengänge zu kämpfen und teils abstruse und zusammenhangslose Äußerungen und Taten in einen sinnigen Kontext zu bringen. Auch wenn das nicht immer leicht fällt, ist es doch genau dieses verzweifelte puzzeln, das dem Rezipient verdeutlicht, welche Verwirrung und Desorganisation in dissoziativ gestörten Menschen herrscht.

„Krähenmädchen“ endet mit einem Vorfall, der sich bereits etliche Jahre zuvor in etwa derselben Art zugetragen hat und erzeugt eine Spannung, der unbedingt nachgegangen werden muss.
Bei sehr detaillierter Betrachtung der einzelnen Subgeschichten kommen am Ende des ersten Buches viele Fragen auf, wie z.B.:

In Sofia Zetterlunds Praxis hängen ausgerechnet Bilder des Künstlers, mit dem Jeanette Kihlbergs Mann Åke eine gemeinsame Ausstellung haben wird. Spielt die Galeristin im weiteren Verlauf eine Rolle?

Was geschieht mit dem Pädophilen Lundström, der nach einem Suizidversuch derzeit im Koma liegt? Haben seine fantasierten Äußerungen zu Kindesmisshandlungen und organisierten Kinderschändern einen Wahrheitsgehalt?

Welche Rolle spielen Victoria Bergmans ehemaligen Internatsmitschülerinnen?

Darüber hinaus gibt es noch weitere Fragen, die ich aus spannungstechnischen Gründen jedoch an dieser Stelle noch nicht stellen kann.
Ich bin gespannt, ob und wie sich meine Fragen in den kommenden beiden Bänden beantworten werden und freue mich auf die Fortsetzung der Victoria-Bergman-Trilogie!

Erik Axl Sund
Krähenmädchen
Paperback, Klappenbroschur, 480 Seiten
ISBN: 978-3-442-48117-0

Gestaltungs-Special zur Victoria Bergman Trilogie

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Die Gestaltung von Reihentiteln ist meiner Meinung nach eine große Herausforderung, da das Gestaltungskonzept des ersten Titels kontinuierlich und strikt weiterverfolgt werden muss, um der Zielgruppe ein klares Bild zu zeichnen. Dem Rezipient muss optisch eine Gestaltungsstruktur präsentiert werden, die intuitiv wiedererkannt wird, sodass die Folgetitel ganz klar identifiziert werden können. Gefährlich kann es werden, wenn der Auftakt einer Reihe misslingt.

P1020892Doch von einer solchen Gefahr sind die Titel „Krähenmädchen“, „Narbenkind“ und „Schattenschrei“ weit entfernt. Ihnen kommt zugute, dass bereits vor der Veröffentlichung des ersten Bandes feststand, dass die „Victoria Bergman“-Geschichten in einer Trilogie erzählt werden. Diese Kenntnis erlaubt es dem Goldmann Verlag ein sehr schlüssiges Gesamtkonzept zu erstellen. Gerade die Nummerierung kommt bei vielen Serientiteln zu kurz. Aus diesem Grund bin ich sehr begeistert von der Nummerierung der Bücher am Kopf des Buchrückens, der keine Verwechslung der Titel untereinander erlaubt.
Die einzelnen Nummerntafeln (I, II, III) sind dabei von einem geprägten Rahmen umschlossen und mit einer Spotlackierung versehen. Diese Veredlungsprozesse sorgen dafür, dass die Nummerierungen wie Täfelchen am Buchrücken hängen und eine angenehme Haptik erzeugen.

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Die Trilogie ist als Klappbroschur hergestellt.
Auch auf der Klappe wird konsequent mit Lack veredelt, sodass die Autorenfotos in einem schönen Glanz aufwarten.

Die Bücher der „Victoria-Bergman-Trilogie“ sind – mit all ihren Prägungen und Lackierungen – eine sehr durchdachte und am schaurigen Inhalt konzipierte Reihe, dessen Optik und Haptik sich wundervoll vereint und die Titel in Szene setzt.